Geistliches Wort im Falkensteiner Anzeiger

Weihnachten ist längst vorbei. Das neue Jahr ist ebenso schon weit vorangeschritten. Der Alltagstrott hat uns wieder. Ist es wirklich nur ein Trott? Oder ist nicht jeder Tag gefüllt mit neuen Entscheidungen, mit neuen Herausforderungen?

Ist nicht jeder Tag geprägt durch mein Leben, das in mir ist, das nach außen drängt und das andere in dieses Leben hineinnimmt? Das Leben ist spannend. Und es ist immer auch gefährdet. Nicht nur durch äußere Einflüsse, sondern auch durch mein Ich mit seinen Vorstellungen und Wünschen und nicht zuletzt durch mein Versagen.

Ich merke es immer wieder. Ich bin nicht perfekt. Ich treffe nicht immer die richtigen Entscheidungen. ich überschreite die mir gestellten Grenzen und verletze die Menschen, mit denen ich zusammenlebe. Ich merke es immer wieder: die auch daran, wie andere meine Schwächen und mein Versagen bewältigen, wie sie trotz allem zu mir stehen. Werde ich trotz meiner Fehler und meines Versagens angenommen und als Mensch geachtet oder werde ich an die Wand gestellt?

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Menschen um sich herum haben, die Sie nicht nach Ihrer Leistung beurteilen, sondern Sie als Menschen annehmen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie es erfahren und dass Sie es selbst praktizieren können: Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Denn wo immer nur nach dem Recht gelebt wird, wird man hart und erfährt Kälte um sich herum. Wer dagegen aus der Gnade lebt, erfährt menschliche Wärme. Das alte Wort Gnade hat leider einen etwas negativen Beigeschmack von Herablassung. Es meint eigentlich nichts anderes, als dass unverdiente Hilfe gewährt wird bzw. dass ich einem anderen aushelfe, weil ich ihn nicht bei seinem Versagen belasse.

Jedes menschliche Miteinander lebt von der Gnade. Und je enger dieses Miteinander ist, desto wichtiger ist sie. Denn Gnade, das ist Verzeihen und Hilfe zum Leben. Christen wissen, dass sie nicht nur im menschlichen Miteinander aus der Gnade leben, sondern dass der Grund ihres Handelns die Erfahrung der Gnade Gottes ist. Dieser Gott hat in Christus über alle Menschen das Wort des Verzeihens ausgesprochen und bietet jedem Menschen seine Hilfe an.

Da ist nicht Herablassung oder demütiges Tun Gottes zu sehen, da ist viel mehr seine Liebe die, zur Hilfe bereit ist, wo immer wir sie auch in Anspruch nehmen wollen. Wo wir es aber tun, da gibt es für unser Leben einen Neuanfang. Zu solchem Neuanfang sind Sie eingeladen. Es ist mehr als nur ein Vorsatz für das neue Jahr. Es ist das Leben, das so spannend und aufregend sein kann und das ich bejahen kann, weil Gott es bejaht. "Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten" (Titus 2,11)

Ich wünsche Ihnen einen guten Monat unter der Gnade Gottes.

Pastor Volker Schädlich
Falkensteiner Anzeiger, Januar 2000