Recht haben oder lieb haben?

Das dritte Mal nach dem Weg gefragt und geduldig auf links und rechts und nach der soundsovielten Ampel... gehört und dann doch wieder im Groß-Stadt-Dschungel der Eisenbahnstraßen und Richtungspfeile verirrt - was ist das für eine Erleichterung, wenn dann jemand sagt: Ich bringe Sie hin. Fahren Sie mir nur hinterher. So auch Jesus. Er sagt: "Ich bin der Weg..." - nicht: Ich weiß den Weg - sondern: ich habe einen Weg für dich gebahnt. Ich zeige dir diesen Weg. Ich bin für dich in die Bresche getreten. Ich habe mich für dich eingesetzt. Darauf kannst du dich verlassen. Nur so kommst du zum Vater.

Aber so kommst du eben wirklich nach Hause. "Ich bin der Weg..." Ziel und Weg sind klar. Und für die Christen gilt: "Als Botschafter Christi fordern wir euch deshalb im Namen Gottes auf: Laßt Euch mit Gott versöhnen. Wir bitten euch darum im Auftrag Christi." Jeder, der etwas für sich als richtig erkannt hat, steht in der Gefahr diese Erkenntnis rechthaberisch zu verteidigen.

Nicht umsonst erleben wir in unserer Welt soviel Fanatismus, Sturheit, Unnachgiebigkeit und Fundamentalismus. Und das nicht nur im großen Weltgeschehen, sondern ebenfalls im persönlichen Bereich, bis in den engsten Familienkreis hinein.

Merkwürdigerweise steht dieser Rechthaberei eine große Orientierungslosigkeit gegenüber. Unsicherheit bis in grundlegendste Bereiche: Ehe, Umgang mit Sexualität, Bewertung des werdenden Lebens.

Talkshows möchten uns fast das Bild vermitteln: Normal ist, was so richtig verrückt ist. Im Alltag unserer 08/15 Gesellschaft gilt dagegen eher als normal: wer nicht auffällt, wer wie alle ist, wer keine Kanten, kein Profil hat, wer sich in den Einheitsbrei der Meinungen mit einordnet und keinem auf die Füße tritt, wer nicht gegen den Strom schwimmt, wer keine Schwierigkeiten macht, wer keine unbequemen Fragen stellt, wer keine außergewöhnlichen Ziele hat.

Da ist es schon fast wie ein Kompliment, wenn man gesagt bekommt: Du bist nicht ganz normal! ja, Jesus sprengt die Norm, damals wie heute. Er setzt eine neue Norm. Er zeigt einen neuen Lebensweg und weist damit auf sich als Person hin. Wie wir zu ihm kommen ist so vielfältig wie das Leben selber. Kein Zwang, keine Rechthaberei, aber die Einladung zu einem klaren Weg Jesus. Wer sich so etwas zu sagen wagt ist entweder unendlich verrückt und gefährlich oder er hat eine unendliche Liebe zu uns Menschen. Was glauben Sie?

Karsten Hellwig
Falkensteiner Anzeiger, Februar 2000