Rede und Antwort stehen

Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.

1. Petrus 3, 15

Ich sehe noch das Gesicht meines Onkels vor mir, als er mich fragte: "Hättest Du mit Deinen guten Zensuren nicht etwas anderes werden können, als ausgerechnet Pfarrer?" Er war ein Mensch, der es gut mit mir meinte. Er wußte auch, wie wenig Pfarrer damals in der DDR verdienten. Er hätte mir gern mehr gegönnt. jahrelang hatte ihn die Frage bewegt, wieso ich auf alle mir sonst offenstehenden Möglichkeiten verzichtet hatte. Und als er mich auf einer Familienfeier traf, fragte er mich danach. ich spürte, daß ich auf diese ehrliche Frage eine ehrliche Antwort geben mußte. Und ich sagte wohl etwa, daß mir nicht das Wichtigste im Leben sei, viel Geld zu verdienen, sondern daß ich Kindern und Erwachsenen von Gott erzählen möchte. Und daß es für manchen Menschen, der in Problemen steckt, sicher eine große Hilfe ist, wenn er Gott finden kann. Und daß man gerade im Pfarrerberuf sich dieser schönen Aufgabe besonders widmen kann. Ich hoffe, er hat mich damals verstanden.

Es kommt immer wieder vor, daß uns als Christen von unseren Mitmenschen ebenfalls Fragen nach unserem Glauben gestellt werden.

Zum Beispiel: "Warum bist du Christ?". "Was hat dir solchen inneren Halt gegeben, als du so krank warst?". "Wieso bist du so gefaßt, wo du doch solches Leid erlebt hast?"

Hinter solchen Fragen verbirgt sich zumeist ein ehrliches Interesse. Und solche Situationen sind Gelegenheiten, wo wir dem anderen Menschen etwas von unserem Glauben oder gar von unseren Erfahrungen mit Gott erzählen dürfen. Für den anderen können unsere Antworten mitunter nicht nur aufschlußreich, sondern hilfreich sein. Dabei ist derjenige, der Erfahrungen während einer Krankheit gemacht hat, besonders imstande, Kranke zu ermutigen. Wer Leid durchlebt hat, ist besonders bevollmächtigt, Leidtragende zu trösten. Wer Gott erlebt bat, kann anderen, die diese Erfahrungen noch nicht gemacht haben, eine neue Sicht vermitteln.

Wir müssen uns nicht auf sinnlose Diskussionen mit Spöttern einlassen. Aber ehrlich Fragenden sollten wir ehrlich Antwort geben. von diesem Zeugnis lebt die Kirche. Unser Monatsspruch ermutigt uns regelrecht dazu.

Pfarrer Helfried Gneuß
Falkensteiner Anzeiger, Mai 2000