Geh aus, mein Herz, und suche Freud


"Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben."


"Hurra, die Ferien sind da!", so freuten sich vor wenigen Wochen die Schulkinder. Auch für uns Erwachsene hat das Wort "Ferien" einen besonderen Klang: einmal ausspannen, "die Seele baumeln lassen", heraus aus den vier Wänden, faul am Strand liegen oder einen Berggipfel erklimmen, je nachdem andere Länder und Menschen kennenlernen; sich vergnügen bei Sport und Spiel, heißen Rhythmen oder träumerischen Klängen. Ferien - eine, bunte Palette von Möglichkeiten, so vielgestaltig, wie wir Menschen eben sind.

Was bringen wir aus den Ferien mit? Ein wertvolles Andenken? Viele Fotos? Einen Sonnenbrand? Verdruss über den Stau auf der Antobahn? "Ich bring die Freude mit", so heißt der Titel eines Buches von Herbert Reinecker. Wäre das nicht ein gutes Mitbringsel wenn wir in den Ferien "Freude" gesammelt hätten?

Freilich: Sie liegt nicht einfach da wie die Muscheln am Strand. Freude muss man suchen, aufspüren, entdecken. Sie ist eine Sache des Herzens. Es klingt fast wie ein Befehl, wenn Paul Gerhardt in seinem Liedvers sich selber, sein eigenes Herz, anredet und sagt: "Geh aus, mein Herz, und suche Freud." Bleib nicht in dir selber hocken, bitter, böse, neidisch, wehleidig! Verlass dein Schneckenhaus, in das du dich immer wieder verkriechst! Geh heraus, schau dich um, suche Freude! Der Sommer ist eine gute Jahreszeit dafür. Nimm wahr, wie bunt und schön Gott die Welt ausgestattet hat, dir zuliebe, dir zugute,!

Welche Farben - das frische, Grün einer Frühlingslandschaft, durchzogen vom leuchtendem Gelb blühender Rapsfelder. Das zum Violett sich abschattende Rot eines Sonnenuntergangs. Welche Töne - das Flöten einer Amsel, das Zirpen einer Grille, das Brummen der Hummel, das Hämmern eines Spechtes. Welche Gerüche - der Harzgeruch des Waldes, die Düfte der Hyazinthen und Maiglöckchen, der Atem eines umgepflügten Ackers nach einem warmen Regen.

So fantasievoll ist Gott, unser Schöpfer. Seine, Welt ist nicht leer, einförmig und langweilig. Sie ist Abbild seines unerschöpflichen Wesens. Wer sie in sich aufnimmt und mit allen Sinnen wahrnimmt, wer sie sieht, hört, schmeckt, fühlt - die Welt, die, uns umgibt -, der ist in seinem Innersten angerührt und kommt ans dem Staunen nicht heraus. Er wird in den Liedvers einstimmen: "Ich selber kann und mag nicht ruh'n, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen: ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dein Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen."

Die Freude an Gottes Welt wird Paul Gerhardt zur Vorfreude auf Gottes Ewigkeit. Was wir vor Augen haben, ist wie eine Vorahnung, Gott hat noch mehr für uns bereit. "Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein!" Wir kennen sie, die Augenblicke des Glücks, wo wir sagen möchten: Verweile doch, du bis so schön! Aber wir können sie nicht festhalten. Sie vergehen wie Rauch im Wind.

Was bleibt, ist die Treue Gottes. Er hält uns fest, auch in dunklen Stunden, wenn Schmerzen uns plagen, Niedergeschlagenheit uns quält, Zweifel an Gottes Güte uns überfallen. Gott steht zu uns. Mag unsere Lebensfreude auf wackligen Beinen stehen, sie hat einen festen Grund. Jesus Christus spricht: "Euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen." (Johannes 16,22). Seine Freude wird uns einmal ganz und für immer erfüllen, "da die Lust, die uns erhöht, nie vergeht."

Das macht uns nicht weltflüchtig, sondern lebenstüchtig. Wer weiß, wohin die Reise geht, kann sich getrost auf die Lehensfahrt begeben. Wer auf die letzte Freude zulebt, der bringt die Freude mit, der bringt sie ein ins Leben, in sein eigenes und in das der anderen, die mit ihm zusammenleben.

Was wäre das für ein "Mitbringsel", wenn wir diese Freude aus den Ferien mitbrächten in den Alltag unseres Lebens!

Pfarrer i.R. Ronald Sporn
Falkensteiner Anzeiger, 25.07.2002