Alles neu

Mitten aus dem Schaffen entriss der Tod unseren Kollegen - durch heimtückische Krankheit viel zu früh von uns gegangen - ein tragischer Unglücksfall machte seinem leben ein Ende - so lesen wir es Tag für Tag in der Zeitung. Auch wenn unser Herz rebelliert, es nützt nichts. Der Tod spricht das letzte Wort.

Im Spruch für diesen Monat November meldet sich ein anderer zu Wort. "Siehe, ich mache alles neu." (Offenbarung 21, 5) "Siehe" -Augen auf! Kopf hoch! Der du vor dich hinstarrst, ins Leere blickst, ohne Hoffnung für dich und die Welt - nimm wahr, was sich vor deinen Augen begibt: "Siehe, ich mache alles neu."

Wer getraut sich, seinen Mund so voll zu nehmen, um dies zu behaupten? "Der auf dem Thron saß, sprach: Siehe: ich mache alles neu." Wir sind mit Recht skeptisch, wenn Leute, die auf dem Thron sitzen, solche versprechen abgeben, dass sie alles neu zu machen gedenken. Wir bessern in der alten Welt herum (und vieles ist ja auch durch uns verbesserungsfähig), aber wir machen die alte Welt nicht neu, weil wir Menschen darin im Grunde die alten bleiben. Es muss schon ein anderer den Thron einnehmen und mit seiner Autorität den Worten Geltung verleihen: "Siehe, ich mache alles neu" - nicht nur einiges, nicht nur dieses und jenes, sondern alles, von innen her, von Grund auf - alles neu. Nichts und niemand bleiben von dieser Neuwerdung ausgenommen. Sie ist total, alles und alle umfassend.

Ich gestehe: Es kann einem schwindlig werden, wenn man das hört. Alles neu? "Gott, wie willst du das denn machen" Schau sie dir doch an, unsere alte Welt. Wie soll denn das zugehen, dass sie neu wird? Seine Antwort: Die neue Welt - das ist die mit Gott versöhnte Welt.

Gott ganz in unserer Mitte, nichts Trennendes, Störendes mehr zwischen ihm und uns. Wir - seine Menschen, er - unser Gott. Das wird das eigentlich Neue der neuen Welt sein. Denkt an Eheleute, die sich zerstritten haben. Da hilft es wenig, wenn sie neu tapezieren, ihre Wohnung umräumen, sich schöner einrichten. "Neu" wird es erst, wenn sie sich versöhnen, wieder zueinander finden und nichts mehr zwischen ihnen steht. Was hülfe uns die vollkommenste Welt, wenn wir mit Gott auseinander sind, ihm fremd und Feind bleiben und er mit uns nichts mehr zu tun haben wollte.

Aber Gott ist in unserer Welt anwesend geworden. Er wohnt Tür an Tür. Wir dürfen bei ihm aus- und eingehen, ihm zuhören, mit ihm reden, unsere Schuld bringen, Vergebung erfahren, verantwortlich leben lernen. "In Christus sein - das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden" - so umschreibt der Christ Paulus das Geheimnis des christlichen Glaubens (2. Korinther 5, 17): Ein Anfang, der Zukunft hat.

Einmal werden wir ganz in der liebenden Nähe Gottes sein, ihn mit neuen Augen sehen, wie er ist. Keine Bange, das könne am Ende doch langweilig werden. Am Endlichen und Unheiligen sieht und liebt man sich satt. Es verliert irgendwann einmal seinen Glanz. An Gott werden wir uns nie satt sehen. Er hat in seiner unerschöpflichen Fantasie immer neue Überraschungen für uns bereit. Die neue Welt - das ist die mit Gott versöhnte, zu ihm heimgekehrte Welt.

Die neue Welt - das ist die vom Tod erlöste Welt. Gott bestreitet dem Tod das letzte Wort. "Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen", und es werden keine neuen mehr geweint werden. Alles, wovor wir uns fürchteten und was uns weinen machte, ist nicht mehr. Der Tod in alle seinen Spielarten - vorbei. Das Stöhnen der Kranken, die Schreie der Gefolterten, das Wimmern der Hungernden, das stumme Lied der Schuldigen, alle Mühsaal eines belasteten Lebens - Gott wird es von uns fort nehmen. Es ist aus unserer Erinnerung getilgt. Die neue Welt - das ist die von Gott erlöste Welt.

Was für uns noch aussteht, ragt schon in unsere alte Welt hinein, wie das Morgenrot am nächtlichen Himmel: Jesus Christus - ganz Gott und doch einer von uns: der mit Gott versöhnte und der vom Tod erlöste Mensch. Was er schon ist, werden wir einmal sein.

Die neue Welt - kein Trugbild, das uns in eine Traumwelt entführt und uns flügellahm macht, sondern uns beflügelt für unsere Welt. Wer an die letzte große Wende weiß, der wird entgegenleben, wird heute Notwendiges tun, um Not zu wenden. Es ist keine vergebliche Liebesmüh. Wohl stehen wir noch an Gräbern, aber unsere Trauer ist nicht mehr hoffnungslos. Sicher schlägt uns das Leben noch manche Wunden, aber wir müssen nicht mehr an uns und anderen verzweifeln.

Ich lade Sie ein, über diese Sicht des Lebens nachzudenken und sie auszuprobieren. Viele - und auch ich - haben gute Erfahrungen damit gemacht.

Pfarrer i.R. Ronald Sporn, Neustadt
Falkensteiner Anzeiger, 26.10.2006