Gerecht gemacht durch den Glauben

In einem mittelalterlichen Volksspiel tritt der Doktor Faustus auf und beschwört böse Geister. Da erscheint auch das Teufelchen Vitzli-Putzli. Das wird von Faustus gefragt, ob es denn nie Sehnsucht nach der ewigen Seligkeit hätte. Darauf antwortet der Dämon: "Wenn eine Leiter von der Hölle zum Himmel hinaufführte und ihre Sprossen wären lauter scharfe Schermesser - ich würde sie sofort erklimmen, und wenn ich in Stücke zerschnitten hinaufgelangen sollte!" Der Verfasser dieses alten Spiels hat richtig erkannt, dass selbst im gottlosesten Herzen eine geheime Sehnsucht lebt: nach Gott, nach innerem Frieden, nach Freisein von Schuld, nach ungetrübtem Glück, nach himmlischem Leben. Und irgendwie sind wir Menschen im Laufe unseres Lebens immer wieder auf der Suche danach.

Mancher Mensch meint auch, den Weg dorthin zu kennen. Mancher glaubt, dass in der Bibel steht: "Wenn du dich anständig im Leben verhältst, dir nichts zu Schulden kommen lässt und immer schön fromm bist, dann wirst du das alles eines Tages finden!". Aber gerade das steht nicht in der Bibel drin, sondern da steht vielmehr das Gegenteil! "Du kannst tun, was du willst, du kannst fromm hoch drei sein und dazu super-anständig leben - das alles bringt dich nicht Gott näher, bringt dir keinen inneren Frieden! Denn trotz alledem steht alle deine Sünde zwischen dir und Gott! Etwas viel Größeres ist nötig, wenn du vor dem heiligen Gott und seinem Gericht bestehen willst!" Gerade das ist ja meist unser Problem: Dass die Verbindung zu Gott nicht so recht intakt ist. Nicht, dass wir Gott ablehnen oder dass wir leugnen, dass es ihn gibt. Aber er ist aus dem Zentrum unseres Lebens in eine unbedeutende Seitennische verdrängt. Genau darin besteht unsere eigentliche Sünde.

Dennoch gibt es - im Bild gesprochen - eine Leiter, die von uns direkt zum Herzen Gottes führt. Sie besteht nicht aus "scharfen Schermessern" - sondern diese Leiter ist Jesus Christus, der Sohn Gottes. Auf ihr brauchen wir nicht zu Gott hinaufsteigen, sondern auf ihr ist Gott zu uns hernieder gekommen in unsere Welt! Und wozu kam er zu uns? Um das, was zwischen uns und Gott steht - unsere Sünde - aus der Welt zu schaffen und zu sühnen durch seinen Tod am Kreuz!

Wer seitdem den Gekreuzigten anschaut, der merkt: Gottes Zorn und Gericht über die Sünde ist ernst. So ernst, dass Gottes Sohn in die Welt kommen und dafür sterben musste. Das ist seitdem die Basis dafür, dass ein Mensch wieder mit Gott in Ordnung kommen kann und dass er so werden kann, dass er nun Gott wohlgefällig ist. Die Bibel nennt das in etwas altertümlicher Sprache "er wird gerecht gemacht" vor Gott. Gerecht durch den Glauben wird man allerdings nicht dadurch, dass wir das lediglich für wahr halten und dieser biblischen Rechtfertigungslehre verstandesmäßig zustimmen. Sondern dass wir uns - wie Luther sagt - regelrecht "an den Herrn Jesus hängen". Wir können nichts dazu tun, um unsere Schuld "zu bezahlen" - er hat sie für uns bezahlt. Das für uns persönlich so in aller Konsequenz akzeptieren, heißt "gerecht werden durch den Glauben".

In unserem Monatsspruch (Römer 5, 1) hat das der Apostel Paulus so ausgedrückt:

Gerecht gemacht durch den Glauben haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Es grüßt Sie ganz herzlich Ihr Pfarrer Gneuß
Falkensteiner Anzeiger, 25.01.2007