Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

Psalm 103, 2

Liebe Leser: Erste Situation: „Das vergesse ich nicht, was der mir damals angetan hat,“ sagte Max zu mir. Das „damals“ ist 15 Jahre her. Und so lange herrscht auch zwischen ihm und der anderen Person Funkstille. Es ist erstaunlich aber auch erschreckend, wie hartnäckig das Gedächtnis bei bösen Dingen ist, die uns andere angetan haben. Dabei können wir selber es oft gar nicht beeinflussen. Wir können uns nicht zwingen, zu vergessen. Zweite Situation: Den ganzen Tag lang war Lena ihrem Mann Hans gegenüber schon so knurrig. Am Abend beim Abendbrot fragte sie ihn plötzlich: „Hast du heute nicht etwas vergessen?“ Hans fing angestrengt an zu überlegen und wurde rot: „Ach du Sch…, unser Hochzeitstag!“ Dabei ist er erst 6 Jahre her und sie beide denken noch gerne daran. Und eigentlich ist Hans mit seiner Lena ja auch glücklich verheiratet. „Wie konnte ich das nur vergessen,“ schimpfte Hans mit sich selbst. Es ist erstaunlich aber auch erschreckend, wie vergesslich unser Gedächtnis bei vielen guten Dingen ist, die uns angetan oder gegeben wurden. … und vergiss nicht, was dir Böses widerfahren ist: Dieser Satz steht nicht in der Bibel – braucht er auch nicht, weil wir das Böse ohnehin viel zu selten vergessen. „… und vergiss nicht, was er (Gott!) dir Gutes getan hat.“ David, der Beter und Überlieferer dieses Psalms fordert seine eigene Seele dazu auf, das Gute, das Gott ihm getan hat, nicht zu vergessen. Dabei hat gerade David sehr viel Böses und Schweres erlebt. Aber im Rückblick erinnert sich seine Seele an das Gute, das er trotz, aber auch in dem Bösen erfahren hat. Wie können wir unserer Seele helfen, sich zu erinnern? Setzen Sie sich doch am Abend eines jeden Tages einmal hin und überlegen Sie, was Ihnen heute Gutes widerfahren ist. Und geben Sie dabei nicht zu schnell auf! Wenn es ein schlechter Tag war, dann dauert es eine Weile, bis die verschüttet gegangenen guten Dinge – und seien sie nur kleine Körnchen – hervor gegraben sind. Es kann eine Weile dauern, bis man das Gute in bösen Dingen, die der Tag gebracht hat, erkennen und annehmen kann, z.B., dass wir trotz des Bösen gehalten und durch den Tag durchgeführt worden sind. Und wenn Sie das Gute gefunden haben: „Lobe den Herrn meine Seele …!“ Geben Sie Ihrer Freude eine Adresse! Loben Sie Gott dafür! Wenn die bösen Erinnerungen Übergewicht bekommen, dann wird unsere Seele schwermütig, kraftlos und krank. Wenn die guten Erinnerungen Übergewicht bekommen, dann wird die Seele frei, kann aufblicken und erkennt, dass ein Gott über uns ist, der sich um uns kümmert. „Lobe den Herrn, meine Seele …“: Versuchen Sie doch mal, jeden Tag mit Gotteslob zu beschließen. Sie werden merken, wie dann auch das Schwere leichter wird und böse Erinnerungen an Macht verlieren. Amen

Pfarrer Eckehard Graubner
Falkensteiner Anzeiger, 31.08.2011