Kurz oder lang

Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.

Jesaja 54, 7

Kurz oder lang. ‚Über kurz oder lang’ – damit meine ich nicht – wie in dem gleichnamigen Film – eine Diskussion über die Länge der Haare. Mit der Redewendung ‚über kurz oder lang’ kann gemeint sein: bald; es dauert nicht mehr lange. Oder es kann gemeint sein: irgendwann einmal oder sogar: gleichgültig wann. Die Länge einer Zeitspanne wird sehr unterschiedlich empfunden. Objektiv genau die gleiche Chronometer-Anzeige. Subjektiv für den einen ‚eine halbe Ewigkeit’ für den anderen verschwindend gering. Hape Kerkelings ‚Ich bin dann mal weg.’ ist zum geflügelten Wort geworden. Für ihn war dieses ‚mal weg’ 6 Wochen lang. Eine halbe Stunde Zahnschmerzen ist noch zu überstehen – einen halben Tag Zahnschmerzen da müssen Schmerztabletten her oder es geht am besten gleich zum Doc. Im Kreise guter Freunde bei einer exzellenten Mahlzeit vergeht die Zeit ‚wie im Fluge’. Leider können wir es uns oft nicht aussuchen was wie lange dauert. Vielleicht hat deswegen meine Mutter manchmal gesagt: Wenn’s am schönsten ist, dann soll man aufhören. Unvergessliche Augenblicke geben einem Leben die Würze. Das sind Eindrücke, die haben wir in uns. Die kann uns niemand mehr wegnehmen. Und schwere Zeiten, die kann uns erst recht niemand wegnehmen. Damit haben wir uns auseinander gesetzt. Die haben wir erlebt und dabei haben wir Erfahrungen gemacht mit anderen Menschen und mit uns selbst. Schwere Zeiten formen uns. Schwere Zeiten zeigen uns deutlich: wir haben nicht alles in der Hand. Ja, wer hat es – das Leben, die Welt, den Menschen – denn in der Hand? „Er (Gott) hält die ganze Welt in der Hand.“ Wendet er sich auch nur einen Augenblick ab, dann driftet alles auseinander. Das Volk Israel – zu dem dieses Bibelwort zuerst gesagt wurde – musste das am eigenen Leibe erfahren. Gott hat sie zerstreut und wieder gesammelt. Durch viel Leid hindurch hat er sie geformt und tut das noch heute. Dabei tut Gott das Schwere, dass er einem Menschen, einem Volk nicht erspart mindestens ebenso weh. ABER – und das ist die gute Aussage – viel lieber sammelt er und tut Gutes und begegnet mit Gnade und Barmherzigkeit – über kurz oder lang.

Einen gesegneten Advent wünscht Ihnen, Karsten Hellwig, Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft Falkenstein.
Falkensteiner Anzeiger, 24.11.2011