Gott nah oder fern?

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

Jeremia 23, 23

Wir hatten diesmal Glück: In den fünf Urlaubstagen in den Bayrischen Alpen lachte die Sonne vom Himmel und die Berggipfel zeigten sich von ihrer schönsten Seite. Wer wünscht sich das nicht auch: einen Urlaub voller Sonnenschein? Die Stimmung sinkt ganz erheblich, wenn wir anstelle von Badewetter nur mit dem Regenschirm am Strand spazieren gehen können oder wenn wir im Gebirge nur auf Anschichtskarten sehen, wie die Berge eigentlich aussehen, wenn sie zu sehen wären! Wenn die Sonne scheint, dann scheint die Welt wieder rund zu sein, unsere Gemütsverfassung wendet sich ins Positive, und man hat den Eindruck, auch die ganze Natur fühlt sich wohl.

Die Sonne ist für mich ein Gleichnis, das uns etwas über Gott sagt. Wenn der allmächtige Gott, der Herr des Himmels und der Erde, sich uns gütig zuwendet, dann ist es, wie wenn die Sonne uns warm und wohltuend bescheint: dann spüren wir in unserem Leben seinen Segen, wir erfahren seine Nähe, wir erleben seine Hilfe, wissen uns von ihm angenommen und mit ihm verbunden, nicht zuletzt auch im Gebet.

In Bezug auf die Sonne erleben wir aber auch Zeiten, in denen sie für uns tage- oder gar wochenlang nicht zu sehen ist. Obwohl sie da ist, ist sie hinter dicken Wolken verborgen. Da wird es dann kalt und ungemütlich auf der Erde.

So kann es uns auch in Bezug auf Gott gehen. Die Bibel sagt, dass ein Leben in Sünde uns von Gott trennt und dass unsere Sünde sein Angesicht vor uns verbirgt (Jesaja 59,2). Auch ein Christ erlebt das mitunter: Man hat dann den Eindruck, dass Gott ganz weit weg ist, unser Beten bleibt unbeantwortet und man hat das Gefühl, von Gott verlassen zu sein. Wenn wir das erleben, sollen wir die Schuld dafür nicht bei Gott suchen, sondern immer bei uns. Und an uns liegt es dann auch, diesem Zustand recht bald ein Ende zu machen, in dem die Ursache für diese Trennung aus unserem Leben ausräumen, so dass sich Gott uns wieder zuwenden kann.

Schlimm wird es bei den Menschen, bei denen die Gottverlassenheit zu einem Dauerzustand geworden ist, sozusagen zur Normalität! Der Prophet Jeremia hatte das Wort von dem nahen Gott, der auch sehr fern sein kann, zu einem Volk zu sagen, das sich so arg von Gott abgewendet hatte, dass Gottes Geduld mit ihnen zu Ende war. Aber das Volk glaubte das nicht. Falsche Propheten bestärkten die Menschen leider noch in der Selbstsicherheit: es ist schon alles in Ordnung! Nachdem Jeremias mahnende Worte ohne Erfolg blieben, kam dann tatsächlich das das ganze Unheil über sie: Krieg, Belagerung und totale Zerstörung der Stadt Jerusalem, das ganze Volk in Ketten deportiert nach Babylon! Für alle war kein größeres Unheil denkbar, als das, was nun gekommen war. So sieht es aus, wenn Gott sich abgewendet hat! Hat sich Gott nicht in ähnlicher Weise auch einmal total abgewendet von unserem deutschen Volk? Ich denke an das, was unser Land durchmachen musste im und nach dem 2. Weltkrieg: 6 Millionen tote Deutsche, Zerstörung der Städte, Vertreibung aus der Heimat, Verlust von Hab und Gut, statt dessen kam Leid und Not. Inzwischen begreifen wir, dass das alles auch ein Gericht über unser Land war, das Gott zugelassen hat!

Und noch einmal ist die Sonne ein Gleichnis: Nachts scheint sie nicht. Aber nicht, weil sie von Wolken verhüllt wäre, sondern weil sie der Seite der Erdkugel, auf der wir leben, dann total abgewandt ist. Wer einmal Nächte in der Wüste zugebracht hat, der weiß, wie bitter kalt es dort ohne die Sonne wird. Was wäre aber, wenn nach der Nacht nicht wieder der Morgen käme, sondern es immer so Nacht bleibt – immer und ewig? So müssen wir es ungefähr vorstellen, wenn Jesus bei seiner Wiederkunft manchen Menschen sagen muss: geht fort von mir, ich kenne euch nicht! Die Bibel hat dafür den Ausdruck „Ewige Verdammnis“. Immer Nacht , immer ganz fern von Gott sein müssen – das wäre schrecklich!

Wenn uns sonntags im Gottesdienst der Segen zugesprochen wird, dann ist das doch ein Zuspruch für Gottes Zuwendung: „Der Herr segne dich und behüte dich! Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig! Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!“ Deshalb ist mir der Segen jedesmal wieder so wichtig.

Es grüßt Sie Ihr Pfarrer Gneuß
Falkensteiner Anzeiger, 30.08.2012