Durch Denken zum Danken finden

Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

Psalm 118, 1

Die Vögel verlernen allmählich das Singen. Das haben Forscher festgestellt. Es ist zu laut geworden in den Städten und Wohngebieten. Die Vögel hören sich selbst nicht mehr und haben darum immer mehr Schwierigkeiten beim Lernen. Manche ziehen sich aus den Städten zurück, weil sie ohne Singen keinen Partner mehr finden; andere lernen einfach nur die Geräusche, die sie hören: Alarmanlagen, Autohupen und Handys.

Ist es nicht traurig, dass Vögel einfach ihr Wesen verlieren und nur noch nachahmen können, was sie woanders gehört haben?!

Und wie ist das bei uns Menschen? Kann es sein, dass Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein wenig von ihrem Wesen verloren haben, oder von dem, was ganz natürlich zu uns gehört?

Ich weiß es nicht so genau, aber gelegentlich habe ich den Eindruck, dass vieles uns zu selbstverständlich geworden ist, was sich ja gar nicht von selbst versteht: Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Gesundheit ...

Es ist natürlich wunderschön, dass wir das alles haben, und ich genieße es nur zu gerne und oft von Herzen.

Aber eigentlich ist es ja überhaupt nicht selbstverständlich. Vielmehr ist es ein Wunder! Das entdecke ich, wenn ich nur einmal kurz woanders hin schaue. Wir haben, wir bekommen, manchmal können wir sogar schwelgen in Besitz und Reichtum. Das ist gut und schön, aber selbstverständlich ist es doch noch lange nicht.

Eigentlich ist gar nichts selbstverständlich. Und: Habe ich etwa ein Recht auf das alles? Wenn ich über diese Frage nachdenke, dann befürchte ich manchmal, dass viele Menschen und auch ich allmählich das Danken verlernen als das Selbstverständlichste von der Welt. Danken kommt von Denken!

Für mich gehört das Danken zu unserem ganz eigenen Wesen, wie das Singen zum Wesen der Vögel gehört. Es wäre schade, wenn Menschen immer mehr das Danken verlernen würden und sich so zurückziehen von anderen oder nur noch nachahmen, was andere tun oder lassen. Es fällt doch oft gar nicht so schwer, sich zu beschweren oder zu lamentieren. Da dürfte das Danke-Sagen doch auch nicht schwer sein. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man nur ernst meint, was so oft nebenbei dahingesagt wird: „Gott sei Dank“.

Wirklich besitzen können wir doch nur das, wofür wir schon gedankt haben.

In diesen Tagen feiern die Christen das Erntedankfest. Dabei denken sie über eben diese Zusammenhänge nach: „Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn. Drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn“. So erklingt in vielen Kirchen das bekannte Lied von Matthias Claudius. „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand…“ Vielleicht können Sie mit einstimmen in dieses Lied, wenn Sie durch Denken zum Danken finden …

Es grüßt Sie Ihr Pastor Norbert Lötzsch
Falkensteiner Anzeiger, 27.09.2012