Erkennungszeichen Liebe
Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt!
Ich liebe euch doch alle! - Mit diesen Worten beendete ein einstmals gefürchteter Geheimdienstchef eines kleinen, aber bedeutsamen Staates auf deutschem Boden seine politische Tätigkeit. Warum wohl die Abgeordneten der Volkskammer auf diesen Satz mit schallendem Gelächter antworteten ? Beabsichtigt hatte er diese Reaktion mit Sicherheit nicht, folgerichtig war sie dagegen schon. Allen war damals klar: Hier versucht jemand sein ramponiertes Image aufzupolieren.
Manche dachten gar an den Wolf bei den sieben Geißlein und dessen Trick mit der Kreide. Doch viel wichtiger erscheint mir im Nachhinein, dass jeder Zuhörer sofort begriffen hatte, da stimmt etwas nicht. Entweder er meint diesen Satz ernst, dann müsste er über Nacht seine bisherigen politischen Überzeugungen alle über Bord geworfen haben, oder aber er versucht mit dieser Liebeserklärung, sich den neuen Gegebenheiten im Parlament und in der Gesellschaft anzubiedern und sein bisheriges Tun irgendwie zu rechtfertigen. Das nahm ihm aber niemand wirklich ab.
Die Tragik des Augenblicks wurde dadurch besonders deutlich, dass jedem vernünftigen Menschen völlig klar war: Ein Geheimdienstchef, der behauptet, alle zu lieben, ist einfach fehl an seinem Platz. Wirklich alle zu lieben, heißt ja, auch die Feinde zu lieben, und das geht für einen Geheimdienstler schon mal gar nicht, wie uns die Enthüllungen aus den USA im vergangenen Jahr deutlich gezeigt haben. Geheimdienste neigen wohl eher dazu, erst einmal alle Menschen pauschal als potenzielle Feinde anzusehen. Nun geht es mir gar nicht wirklich um diesen Fall. Er ist aber ein Beispiel dafür, dass viele Menschen damals wie heute ein untrügliches Gespür dafür haben, ob jemand mit seinen Worten ernst zu nehmen ist oder nicht. Der Maßstab, mit dem sie das beurteilen, sind immer die Taten. die diesen Worten folgen oder bereits vorausgegangen sind.
Genau das gilt natürlich auch für den aktuellen Monatsspruch aus dem Johannesevangelium (Johannes 13, 35).Dort lesen wir: Jesus Christus spricht: Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt. - Höchstwahrscheinlich kennen auch Sie jenen Vorwurf, den man gern den Christen macht: Da gehen sie jeden Sonntag in die Kirche und kaum sind sie wieder draußen, ziehen sie über andere in einer Weise her, die mit Sicherheit nicht christlich ist. - Mich schmerzt solch ein Urteil, weil es einerseits als Verallgemeinerung unsachlich ist, andererseits aber in mehr als nur im Einzelfall tatsächlich zutrifft. Immer wieder gibt es Menschen/Christen, die bei der Beurteilung anderer an ihnen kein gutes Haar lassen, die sich abgrenzen, andere ausgrenzen und abwerten oder die komplett unversöhnlich sind, manchmal sogar gegenüber Menschen, denen sie eigentlich viel zu verdanken haben.
Dabei haben Christen allen Grund, völlig anders zu denken und zu handeln. Wenn wir Jünger Jesu sein wollen, genügen schöne Worte nicht, sondern es braucht Taten, die den Geist Jesu widerspiegeln, der erfüllt war von einer bedingungslosen Bereitschaft, andere zu lieben, zu heilen, sie wertzuschätzen und groß zu machen. Dazu braucht es ausgestreckte Hände, die den anderen aufsuchen, selbst wenn schwere Schuld im Spiel ist. Wer damit über seinen eigenen Schatten springt, seinem Bruder, seiner Schwester, Vater oder Mutter...die Schuld vergibt und mit ihnen einen bedingungslosen Neuanfang wagt, darf sich wirklich Christ nennen. Ich weiß, dass dies nicht leicht ist, aber es geht, wenn man nur ernsthaft will.Der liebevolle, sorgsame Umgang mit Menschen, die uns an die Seite gestellt sind, die uns im Leben begegnen oder ein Stück des Weges begleiten, ist der eigentliche Maßstab für die Stärke unseres Glaubens. Gebet und Gottesdienste, Bibelstunden und andere geistliche Übungen sind kein Selbstzweck, sondern können und sollen uns für diese wichtige Aufgabe in der Welt zurüsten. Dabei wünsche ich ihnen viel frohmachende Erfahrungen. Seien Sie alle gesegnet und bleiben Sie behütet!