Wahrhaftig und verbindlich

Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Matthäus 5, 37

Der Monatsspruch stammt aus der Bergpredigt, einer Sammlung von Reden, die Jesus vor einer großen Volksmenge hielt. Darin gibt er Anweisungen für das alltägliche Leben, damit das Zusammenleben der Menschen untereinander und mit Gott gelingen kann. Manche Passagen klingen sehr radikal - so radikal, dass man die Bergpredigt oft schon „weltfremd“ nannte: Mit der Bergpredigt könne man nicht die Welt regieren, keine Politik machen. „Weltfremd“ ist sie tatsächlich, weil sie eine neue Lebenswelt beschreibt, wie sie sein könnte und sein wird, wenn Menschen nach Gottes Willen in Liebe und im Frieden mit sich selbst, ihrer Umwelt und mit Gott leben. Die Welt, wie wir sie vorfinden und kennen ist anders: Kriege, Hunger, Flucht und Vertreibung, Hass, Lieblosigkeit, Umweltzerstörung …

Wer sehnt sich nicht nach einer anderen, besseren Welt, der all das Elend fremd ist?!

„Reich Gottes“ nennt Jesus diese neue Welt, die uns mit ihm ganz nahe gekommen ist. Sie kann Wirklichkeit werden und sie wird zeichenhaft erfahrbar, immer dann, wenn sich Menschen auf ein Leben mit Jesus einlassen, seinem Lebensund Leidensweg, seinen Worten, seiner Versöhnung vertrauen - kurz: an Jesus, den Christus glauben. „Selig sind …“ - so beginnt Jesus seine Bergpredigt: Glücklich sind diese Menschen, … die ihre eigenen Grenzen erkennen und annehmen, die nicht mehr sich selbst zum Maß aller Dinge machen, die fähig sind, Leiden und Lasten (eigene und die anderer Menschen) zu tragen, die für Gerechtigkeit auch eigene Opfer bringen … Ja, das Glück lässt sich finden! Wir könnten glücklich sein! Und unser eigenes Glück wächst, wenn wir jedem anderen Menschen alles zugestehen und zukommen lassen, was wir für uns selbst erwarten. In dieser „Goldenen Regel“ gipfelt Jesu Predigt: „Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das sollt ihr ihnen auch tun!“

Jesus ruft zur Umkehr: Du kannst glücklich werden, wenn Du umkehrst zu einem Leben in seinem Sinne, zu einem Leben mit und nicht mehr gegen Gott. Die Trennung von Gott (die Bibel nennt sie „Sünde“) hat Jesus für Dich schon überwunden. Alles Andere ergibt sich daraus - ganz praktische Konsequenzen für unseren Alltag. Hier: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein …“ Jedes unserer Worte soll und kann wahrhaftig sein. Wenn wir Ja sagen, soll dieses Ja auch gelten, nicht „Ja, aber …“, „Vielleicht“ oder „Jein“ bedeuten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch Jesus meint mehr als die Wahrhaftigkeit der einzelnen Aussage; er warnt seine Zuhörer vor der Versuchung der Unverbindlichkeit. Ich werde so vieles gefragt, vor so viele Entscheidungen gestellt, dass ich Gefahr laufe, mich nicht festlegen zu wollen. So viele Möglichkeiten stehen mir offen, warum mich einschränken, warum meine Freiheit begrenzen? Damit ich nicht Gefangener meiner Unverbindlichkeit werde, damit ich nicht auf der Stelle stehen bleibe, weil ich mich nicht entscheiden kann oder will. Erst ein klares, verbindliches Ja oder Nein, eine Entscheidung ermöglicht es mir, voranzugehen, mir neue Horizonte zu erschließen.

Neben der Versuchung der Unverbindlichkeit sehe ich hier auch eine Warnung vor der Versuchung der Vorläufigkeit. Ich sage Ja oder Nein, doch wie lange gilt diese Aussage? Mein Ja zu einer übernommenen Verantwortung, mein Ja zu einem Ehepartner, mein Ja zu Gott – wie verlässlich ist mein Ja über den Tag, über ein Jahr hinaus? Warum soll ich mich festlegen, wenn es Andere auch nicht tun? Nur vorläufige Entscheidungen zu treffen, scheint auf den ersten Blick mehr Freiheit, mehr Wahlmöglichkeiten zu geben. Oberflächlich betrachtet nützt die Unverbindlichkeit meiner individuellen Freiheit, und die steht ganz hoch im Trend. Das eigene Ich ist zum Maß aller Dinge geworden. Doch in Wahrheit begrenze ich mich durch die Vorläufigkeit, weil ich mich selbst hindere, dauerhafte Bindungen einzugehen und tiefere Erfahrungen zu machen. Der Reichtum des Lebens erschließt sich mir erst durch Verbindlichkeit und Verlässlichkeit.

Du könntest ja einmal versuchen, die Warnungen und Ratschläge von Jesus zu beherzigen - vielleicht entdeckst Du dabei schon etwas von dem Großen Glück, das Jesus verheißt. Du wirst dabei aber auch merken, dass Du an Dir selbst und an Deinen Begrenzungen scheiterst. Im Grunde nützen uns die besten Ratschläge und Regeln für ein gelingendes Leben nichts, wenn uns die Rückbindung, der Grund, das Fundament dafür fehlt: der Glaube an Gott durch Jesus, den Christus.

Herzlich grüßt Pastor Norbert Lötzsch
Falkensteiner Anzeiger, 25.06.2015