Ein Sonderzug mit Flüchtlingen

Weihnachten 1987. In der Christvesper in Falkenstein war es damals Brauch, dass der Prediger mit der Erzählung einer weihnachtlichen Geschichte begann und aus ihr dann die Botschaft ableitete, die er der Gemeinde am Heiligen Abend sagen wollte. So erzählte ich in einer fiction story den Zuhörern von einem Weihnachtsabend, an dem Fremde an unserem Pfarrhaus klingelten und um Aufnahme baten. Sie kamen von weit her und kündigten an, dass noch in dieser Christnacht ein langer Sonderzug auf dem Bahnhof eintreffen wird, mit Flüchtlingen so wie sie. Von dort, wo Not und Hunger in der Welt herrschen, hätten sie sich zu uns auf den Weg gemacht, damit wir unseren Besitz mit ihnen teilen! Stunden später waren sie dann da: Menschen über Menschen quollen aus der Unterführung in die längst überfüllte Bahnhofshalle. Als ich fortfuhr „In diesem Moment wachte ich auf aus meinem Traum“ ging ein spürbares Aufatmen durch die Reihen der Kirchenbesucher. Die Botschaft aus der Geschichte wurde verstanden und willig aufgenommen: nämlich, dass es uns damals in der DDR im Vergleich zu anderen Ländern doch noch recht gut ging und wir die Ärmeren in der Welt nicht vergessen dürfen.

Mancher sagte mir, dass er gegenwärtig wieder an diese Geschichte erinnert wird – oder war es damals gar eine Vision, die sich jetzt erfüllt angesichts der Bilder aus Passau, Freilassing oder irgendeiner Stelle auf der Balkanroute? Riesige Flüchtlingsheere, die sich zu uns auf den Weg machen, um in ihrer Heimat dem Krieg und Elend zu entfliehen, und die sich doch auch wünschen, dass wir unseren Lebensstandard mit ihnen teilen!

Es ist gut, dass sie hier bei uns ein Land vorfinden, wo sie sicher sind. Ob aber die, die oft mit großen Erwartungen kommen, auch erkennen, dass die große Aufnahmebereitschaft, die sie bei uns finden, ihre Wurzeln hat in der (noch) christlichen Prägung unseres Landes, die uns ans Herz legt, Menschen, die in Not sind, zu helfen?

Die meisten der ankommenden Flüchtlinge sind Muslime. Viele von ihnen haben zu Hause alles verloren, sind gebrochen, verletzt und notleidend. Manche sind auch nach allem Erlebten nun hinsichtlich ihres islamischen Glaubens sehr verunsichert. Ob Gott sie wohl dazu hierher kommen ließ, dass sie hier engagierte Christen kennenlernen, die ihnen bezeugen, dass es einen Gott der Liebe gibt, und dass auch sie als Menschen Gottes geliebte Geschöpfe sind, so wie wir? Einen liebenden Gott nämlich kennt der Islam nicht. Gerade die Weihnachtszeit könnte für kleine Gesten und solche Gespräche manche Gelegenheit bieten.

Allerdings konsequent nach dem Koran und dem islamischen Glauben lebende Muslime werden für solche Gedanken nicht offen sein. Sie müssen von ihrer Überzeugung her nicht nur unsere christlichen Werte ablehnen, sondern können sich auch nicht integrieren in unsere demokratische Ordnung. Und die Sorge um daraus resultierende Probleme hat die Menschen in unserem Land zurzeit tief gespalten.

Vergessen wollen wir aber nicht, dass auch ein Teil der Ankömmlinge Christen sind. Christen, die in ihrer Heimat in Syrien schreckliches durchgemacht haben und durch den IS und radikale Muslime grausamen Verfolgungen und Misshandlungen ausgesetzt waren, bis zu Enthauptungen und Kreuzigungen. Sie flohen aus der Heimat, um den Drangsalen dort zu entgehen. Leider geht die brutale Gewalt gegen sie durch ihre islamischen Mitbewohner auch hier in den deutschen Flüchtlingsunterkünften ungehindert weiter. Diese Christen legt Gott uns als unsere Glaubensgeschwister künftig ganz besonders ans Herz.

Ob es all den Ankommenden hier nicht um deutschen Lebensstandard, sondern wirklich nur um ein Leben in Sicherheit geht, das wird sich herausstellen, wenn der Krieg in ihrer Heimat zu Ende sein wird. Denn dann braucht ihr Land zum Wiederaufbau alle diesen vielen jungen und begabten Leute wieder selbst. In Deutschland weiß man noch, wie das war, als das Land nach seiner völligen Zerstörung wieder aufgebaut werden musste. Werden sie dann ebenso bereit sein, uns wieder zu verlassen, um dort in ihrer Heimat mitzuhelfen?

Ihr Pfarrer Gneuß
Falkensteiner Anzeiger, 26.11.2015