Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Apostelgeschichte 5, 29

Liebe Leser,

ich gebe zu, dass ich mit der Forderung zum Gehorsam meine Probleme habe. Zu oft ist sie missbraucht worden als Forderung zum blinden Gehorsam. Man spricht hier auch vom Kadavergehorsam. Im Nationalsozialismus wurde Gehorsam gegenüber der herrschenden Ideologie gefordert. Manche Offiziere kamen in Konflikt zwischen den Gehorsam, den sie gegenüber der Führung geschworen hatten und irrsinnigen Befehlen, die von ebendieser Führung kamen. Die Forderung nach Gehorsam duldet keinen Widerspruch. Ich habe als Kind und Jugendlicher erlebt, wie Gehorsam gegenüber der marxistischen Ideologie gefordert wurde. „Die Partei hat immer Recht.“ Wer Kritik und Widerspruch anmeldete, war suspekt.

Wer nicht blind gehorchen wollte, hat gelernt, kritisch und selbständig zu denken, zu urteilen und zu entscheiden. Im Rückblick auf die Zeit der Diktaturen wird es deutlich, wie wichtig es war, nicht blind zu gehorchen, sondern kritisch zu denken. Wer blind gehorcht, kann mit in den Abgrund eines Irrweges gerissen werden. Wer blind gehorcht, kann sich mitschuldig machen an dem Unrecht dessen, der Gehorsam verlangt.

Wir leben in einer Zeit der Emanzipation, wo man vieles kritisch prüft und eben nicht blind vertraut und gehorcht, auch Politikern oder anderen leitenden Personen gegenüber. Wir prüfen vor allen dann kritisch, wenn wir nicht sicher sind, ob wir vertrauen können. Jedoch frage ich mich, ob wir wirklich auch immer an der richtigen Stelle prüfen. Populismus und Stimmungsmache gewinnen an Anhängern. Viele Menschen nehmen scheinbare Informationen und Stimmung machende Meldungen in sozialen Netzwerken oder anderen Quellen kritiklos an und verbreiten sie weiter. Es wird eben nicht mehr geprüft, ob da jemand nur seinen persönlichen Frust in Scheininformationen verpackt ablädt, ob es fundierte Informationen oder Falschmeldungen (sog. „Fake-News“) sind. Was überzeugend klingt und meine eigene Meinung bestätigt, muss aber noch lange nicht wahr und gut sein. Wenn Gruppen oder Parteien öffentlich auftreten, die mit Stimmungsmache überzeugen wollen, dann ist Misstrauen angesagt. Wir sind manchmal an der falschen Stelle gutgläubig und gehorsam, manchmal auch an der falschen Stelle überkritisch.

Es ist nicht leicht, beurteilen zu können, wem und welchen Äußerungen ich vertrauen kann und bei wo ich misstrauisch sein muss. Wir brauchen Prüfkriterien dazu. Solche Prüfkriterien finden wir in der Bibel, speziell in den Worten Jesu. Dort, wo Menschen sich feindselig und lieblos gegen andere äußern, dort ist Misstrauen angesagt. Solche Äußerungen vertragen sich nicht mit der Nächstenliebe, von der Jesus redet. Wo Menschen für eine Politik eintreten, die bestimmte Menschengruppen pauschal zu Feinden erklärt, ist aus demselben Grund Misstrauen angesagt. Die Maßstäbe, die Jesus Christus uns zeigt, helfen uns zu unterscheiden, wem und welchen Aussagen über andere wir vertrauen können und wem oder welchen wir mit Misstrauen begegnen sollten. Jesus Christus ist übrigens der einzige Mensch, dem wir blind vertrauen und gehorchen können. Denn er hat beste Absichten gegen alle Menschen.

Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Eckehard Graubner
Falkensteiner Anzeiger, 24.05.2017