Mein Gott hat mir immer geholfen

Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Groß und Klein.

Apostelgeschichte 26, 22

Liebe Leser,

ich lernte vor längerer Zeit eine alte Frau kennen und kam mit ihr ins Gespräch. Sie erzählte mir aus ihrem Leben. Es war in meinen Ohren eine Kette von Leid und Unheil. In ihrer Kindheit der Verlust der Heimat durch die Flucht vor der Front. Weil der Vater im Krieg war, musste sie als Kind schon ihre Geschwister mit versorgen. Später hat sie mehrere Verluste in ihrer Familie erlebt und selbst schwere Krankheiten durchgemacht. Mit viel Arbeit, wenig Geld und unter persönlichen Entbehrungen hat sie ihre Kinder groß gebracht. Ihr Mann war ihr keine Hilfe gewesen. Und jetzt im Alter war sie sehr gebrechlich, hatte Schmerzen. Bei ihrer Erzählung habe ich immer wieder gedacht: So ein Leben hättest du nicht durchgehalten. Da wärst du darüber verbittert worden.

Aber diese Frau strahlte eine Freude, Zufriedenheit und Dankbarkeit aus, über die ich nur staunen konnte. Woher kam das? Sie sagte immer wieder: „Mein Gott hat mir immer geholfen. Und er hilft mir auch jetzt. Ich bin froh, dass ich an ihn glauben kann.“

Ist das vielleicht das Rezept für Zufriedenheit und Dankbarkeit?

Ich erlebe auch andere Menschen: Äußerlich ist bei ihnen soweit alles in Ordnung. Auch in ihrem Leben haben sie viel Gutes gehabt. Aber sie finden immer etwas zu klagen. Ich erlebe bei ihnen so eine merkwürdige Negativsicht auf ihr eigenes Leben aber auch auf ihre Umwelt. Es scheint mir, als hätten sie so eine Grundunzufriedenheit in sich stecken, mit der sie alles in einem negativen Licht sehen. Woher kommt das?

Der Apostel Paulus sagt diese Worte, die uns als Monatsspruch gegeben sind, während eines Verhörs vor dem Statthalter Festus und dem jüdischen König Agrippa. Paulus muss sich dafür verantworten, weil sein öffentliches Reden von Jesus Christus Unruhe unter die Bevölkerung gebracht hat. Als Aufrührer wurde er angeklagt. In seiner Verteidigungsrede hält er Rückblick: Wie Jesus Christus ihm begegnet ist, wie das sein Leben völlig verändert hat, wie er danach aufgebrochen ist, die Gute Botschaft von Jesus Christus in vielen Orten zu erzählen. Er verschweigt auch in seiner Rede nicht, dass er deswegen Anfeindungen erlebt hat. Und er schließt seine Rede mit diesem Satz: „Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag.“

Dieser Satz überrascht, wenn man Paulus‘ Leidensgeschichte kennt, die er als Apostel durchgemacht hat. In einem seiner Briefe schreibt er davon: mehrfach gefangen gewesen, ausgepeitscht worden, Schiffbruch, Todesgefahren und so weiter. Er hätte Grund, sein Leben als Aneinanderreihung von lauter Unglück zu sehen. Aber Paulus redet von Gottes Hilfe, die ihn beständig begleitet hat. Paulus hat offene Augen des Glaubens, deshalb kann er hinter seinem vielen Leiden Gottes Hilfe erkennen.

Es liegt daran, ob wir offene Augen haben - Augen des Glaubens - ob wir negativ und enttäuscht auf unser Leben blicken, oder zufrieden und dankbar. Der Unterschied liegt in den offenen Augen, ob wir unser Leben als eine Aneinanderreihung von Schicksal oder auch Glück verstehen, oder ob wir Gottes Segen und Hilfe hinter allen Höhen und Tiefen im Leben erkennen.

Ich wünsche ihnen diese offenen Augen des Glaubens.

Ihr Pfr. Eckehard Graubner
Falkensteiner Anzeiger, 27.07.2017