Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?

Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?

Römer 8, 35a

Es ist eine rhetorische Frage, liebe Leserinnen und Leser, die der Apostel Paulus da stellte im 8. Kapitel seines Briefes an die Christen in Rom - einem überaus starken Kapitel im Neuen Testament. Und Paulus, von dem man ja sonst weithin sachlich nüchterne Argumentationen zu lesen gewohnt ist, wechselte darin nun in einen geradezu feierlichen Tonfall. Er schreibt jetzt nicht nur von dem, was er denkt, glaubt, hofft, sondern nun schreibt er „Ich bin gewiss.“

Der Liebe Gottes war Paulus gewiss geworden. Sie hatte ihn überzeugt und in seiner Tiefe gewiss gemacht. Die Liebe Gottes, die nirgend woanders so klar sich gezeigt hat wie am Kreuz Jesu Christi. Von solcher Liebe - schreibt Paulus - kann nichts und niemand uns trennen.

Aber was sollte uns denn trennen / scheiden von Gottes Liebe? Welches Spaltpotential wäre da zugange?

„Teile und herrsche!“ soll irgendein antiker Herrscher geraten haben. Es war sein Machtkonzept. „Teile und herrsche!“ - das konnte heißen: „Halte die Völker und Nationen auseinander, unterscheide die Menschen, teile sie ein in Sklaven und Freie, Arme und Reiche, Freunde und Feinde, Volksgenossen und Fremde, in Brauchbare und Lebensunwerte. Bringe die Menschen auseinander, selektiere, betone die Gegensätze, ziehe Stacheldrahtzäune, lege Minengürtel, baue Mauern in den Köpfen, zementiere die Unversöhnlichkeit. Dann kriegst du sie alle in den Griff und herrschst unangefochten.“

„Teile und herrsche!“ Nach diesem Konzept wurde und wird noch immer die Welt in weiten Teilen regiert. Erschreckenderweise erleben wir das gegenwärtig in einem Maß wie schon lange nicht mehr.

„Teile und herrsche.“ Dieses Machtinstrument - mutmaße ich aber - kann sich nur der altböse Feind ausgedacht haben, der große Durcheinanderbringer. Daher enthält die Sünde ein unheimliches Spaltpotential, das Menschen untereinander und Menschen auch mit sich selbst entzweit. Ein Spalpotential, das uns vom Leben abschneiden, uns Gott entreißen und uns in die Gottlosigkeit stürzen will.

Da mittenhinein begibt sich eine Liebe, die sich ganz an uns verschenkt, die am Kreuz freiwillig allen Schmerz, alles Leid, alle Schuld, alle Zerrissenheit auf sich nimmt und erträgt. Die sich dabei keinerlei Gewalt bedient, sondern sich dreingibt - und gerade so alles Spaltpotential bis in den Tod überwindet. Liebe setzt ja gerade alles daran, Trennung zu überwinden. Liebe sehnt sich nach dem Gegenüber, Liebe verbindet. Liebe macht heil, was verletzt und zerrissen war. Liebe ist Verbinden und Schenken, ist Versöhnen und Heilen. Gott hält Ausschau nach uns. Nichts will er so sehr wie mit uns zusammen sein. Seine Liebe erträgt alle Zerreißproben und heilt, was zerrissen war. Und überall, wo Zerrissenheit überwunden wird, wo Gräben zugeschüttet, Wunden verbunden, Schuld vergeben und Menschen heil werden, da leuchtet etwas auf von dieser Gottesliebe, von der nichts uns trennen soll. Gegenwärtig gehen wir durch die Passionszeit. Diese Phase im Kirchenjahr gibt uns intensiv die Gelegenheit, der Spur Jesu Christi zu folgen, um an seiner Liebe teilzuhaben.

Mit guten Segenswünschen dazu

Pastor Jörg-Eckbert Neels, Evangelisch-methodistische Kirche Falkenstein
Falkensteiner Anzeiger, 23.02.2023