Vertrauen

Vertrau ihm, Volk Gottes, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht.

Psalm 62, 9

Liebe Leserinnen und Leser unseres Gemeindebriefs,

als ich mit 5 Jahren zum ersten Mal an die Ostsee in den Urlaub fuhr, packte ich ein halbes Jahr vorher meinen Koffer. Er war ca. 15x25 cm groß, und enthielt alle wichtigen Dinge: einen Teddy, eine Taucherbrille und ein Portemonnaie fürs Taschengeld. Vielleicht war auch noch eine kleine Schaufel drin, ganz genau weiß ich das nicht mehr. Dann war ich bereit! Wenn ich heute mit meiner Familie in den Urlaub fahre, brauchen wir lange Listen, damit nichts vergessen wird. Offenbar haben sich die Zeiten geändert.

Manche werden jetzt mit mir sagen: Ach, war das nicht schön in der Kindheit, als man sich um nichts kümmern musste, außer um die wirklich wichtigen Dinge? Könnten wir es nicht einfach wieder genau so machen? Einfach wie ein Kind sein und die Nebensachen anderen überlassen. Schön wär's, aber wem? Meine Mutter würde zwar noch mit mir in den Urlaub fahren, aber packen müsste ich schon selber.

Der Monatsspruch für den Oktober ist ein Aufruf zur Kindlichkeit. Denn (auch wenn wir Erwachsenen es manchmal nicht glauben mögen) Kinder haben uns etwas voraus: die Fähigkeit zu vertrauen. Sie haben offene Augen, sind neugierig und berechnen nicht jeden Schritt. Freilich lernen auch sie recht bald, dass Vertrauen missbraucht werden kann. Die Enttäuschungen nehmen zu, das Vertrauen ab. Kann jemand aber nun so einfach wieder zum Kind werden? Alle Sorgen und Ängste vergessen? Das wird kaum gehen.

Es gibt keinen Weg zurück. Aber doch gibt es einen Weg, auch als Erwachsener Kind zu sein. Und der hat etwas mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. Wenn ich der Meinung bin, dass kein anderer etwas für mich tun kann, sondern ich allein für mein Glück und Wohlergehen verantwortlich bin, dann ist das der beste Weg zu altern. Ich denke jetzt nicht an die Falten im Gesicht, sondern an die Sorgenfalten in der Seele. Wenn ich mein Leben aber - und das ist der andere Weg - als Geschenk Gottes betrachte, werde ich auch als Erwachsener Kind bleiben. Ich muss dann nicht für alles selbst sorgen, weil ich weiß, dass Gott längst seinen Plan mit mir hat. Ich habe dann einen, dem ich im Gebet mein Herz ausschütten kann, wenn kein Mensch mir zuhören will. Ich habe eine Höhle, wo keine Ängste mich erreichen können und wo einmal nicht meine Leistung gefragt ist. "Vertrau ihm, Volk Gottes ..." - zu diesem Volk kann gehören, wer es möchte und sich Gott anvertraut. "Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht." Wenn das keine Einladung zum Kindsein ist!

Mit den besten Segenswünschen grüßt Sie Ihr

Pfr. Thomas Knittel