Wer glaubt, der hat

Kennen Sie das auch? Staubwischen vor Weihnachten, ein Gegenstand, an seinem bekannten Platz, kaum beachtet. Ich nehme ihn in die Hand - und sehe ihn plötzlich mit neuen Augen, wie schön und wertvoll er ist.

So ähnlich ist es mir mit dem Spruch für diesen Monat ergangen. Ein altvertrautes Wort. Es steht da, stumm - und auf einmal fängt es zu sprechen an und gewinnt einen neuen Glanz.

Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben.

Johannes 3, 36a

Kurz und bündig ist es formuliert: Wer glaubt, der hat; der hat das Leben, das ewige Leben.

Soll das wahr sein? Ich höre andere Stimmen: Wer Geld, Arbeit, Gesundheit, Ansehen, vertraute Menschen um sich hat, der hat das Leben.

Glauben - soll das so wichtig sein, gar lebenswichtig? Sicher: Einen Glauben muss der Mensch haben. Wie hart es auch kommt, man darf nur seinen Glauben nicht verlieren. Aber: Viele haben diese Art "Glauben" verloren: den Glauben an das Dritte Reich, als es vor 60 Jahren in Schutt und Asche sank; den Glauben an das Gute im Menschen, weil täglich so viel unmenschlich Böses geschieht. Wenn schon, dann zählt nur ein Glaube: der Glaube an sich selbst, seine Ellenbogen, mit denen man sich durchs Leben boxt, bis der Tod uns k.o. schlägt.

Der Monatsspruch hat einen anderen Klang. Er lässt aufhorchen. "Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben." Wie bitte? Der Glaube soll's richten? Ja! Aber nicht der Allerweltsglaube, sondern der Glaube an den Sohn, den unverwechselbar einen, der es von Hause aus ist, der seine Sohneswürde nie verloren hat wie wir, die fremdgegangenen Söhne und Töchter Gottes, der den Vater kennt und mit ihm eins ist "ganz der Vater", in dem Gott ein Gesicht bekommen hat; Augen, die uns ansehen; ein Herz, das uns gewinnen will, das um uns kämpft und sich für uns zu Tode liebt. "An den Sohn glauben", das heißt, sich ihm anheimgeben, seine Retterliebe annehmen und sich mit anderen um ihn scharen, ihm ein Leben lang folgen im Sinne von "Nachgehen" und "gehorchen".

Wer in dieser Weise das "Glauben" lernt, der hat das ewige, unlöslich mit Gott verbundene Leben. Sein Leben gewinnt Tiefe, Beständigkeit, Wert, Ewigkeitswert. Es ist authentisches Leben: echt, zuverlässig, glaubwürdig, nicht mehr fremdgesteuert, sondern mit sich übereinstimmend; von dem anstrengenden Spiel befreit, sich dauernd beweisen zu müssen, deshalb gelöst, locker, offen: ein Leben mit dem "Gütesiegel" Gottes. Es wandert ein in unseren Alltag und lebt zugleich von der Hoffnung auf das volle, ungetrübte, quicklebendige Leben in Gottes unverlierbarer Gegenwart, wo alles Bruchstückhafte zu Ende ist.

Wie Gott uns auch antrifft zu Beginn des neuen Jahres, ob voller Bangen oder mit Zuversicht; ob vom Tode gezeichnet oder in der Blüte der Jahre - sein Versprechen gilt: "Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben."

Mit den besten Segenswünschen für das neue Jahr grüßt Sie

Pfarrer i.R. Ronald Sporn