Wer ist Gott

Du aber, unser Gott, bist gütig, wahrhaftig und langmütig; voll Erbarmen durchwaltest du das All.

Weisheit Salomos 15, 1

Wissen wir, was wir sagen, wenn wir das Wort "Gott" aussprechen? Als Mose in der Wüste einmal direkt von Gott angesprochen wurde, da stellte er Gott die Frage: Wie ist eigentlich dein Name? Wenn ich danach gefragt werde, was soll ich sagen? (2. Mose 3) Im alten Israel war ein Name nie eine Nebensache, ein Name war Ausdruck des Wesens einer Person. Wenn Mose also nach dem Namen Gottes fragte, so war dies eine Frage nach dem Wesen Gottes: Wer bist du? Was soll ich über dich sagen? Gott antwortete damals etwas rätselhaft: "ich werde sein, der ich sein werde". Er betonte damit seine Freiheit und Souveränität. Wie ich will, so werde ich mich offenbaren.

In gewisser Weise ist es von daher verständlich, dass Menschen sich eigene Götter schufen. Natürlich waren es gar keine Götter, sondern geschnitzte Holzfiguren oder goldene Stierbilder. Aber viele hielten sie für solche, und fanden offenbar, dass mit ihnen leichter umzugehen sei. Ein selbstgemachter Gott ist recht bequem, er ist berechenbar und sorgt nicht für böse Überraschungen. Dass sie einen Gott brauchten, war irgendwie klar, aber er sollte eben leicht "handhabbar" sein. Das scheint bis heute so geblieben zu sein. Es ist des vielen Götter-Machens kein Ende. Martin Luthers Definition ist bis heute unübertroffen: Das woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott. Was aber bewirkt ein selbstgemachter Gott? Die Antwort ist einfach: Nichts. Er ist schlicht überfordert damit, dass man ihm eine tragende Bedeutung für das Leben beimisst. In der Weisheit Salomos, aus der unser Monatsspruch stammt, wird dies treffend beschrieben: Wer einen selbstgemachten Gott verehrt, "ruft das Schwache um Gesundheit an, bittet das Tote um Leben, fleht zu dem Unfähigsten um Hilfe und zu dem um glückliche Reise, was nicht einmal den Fuß gebrauchen kann. ... Ebenso tut der, der sich einschiffen will und durch wilde Fluten zu fahren gedenkt und ein Holz (ein selbstgeschnitztes Götterbild) anruft, das viel morscher ist als das Schiff, auf dem er fährt." (13,18; 14,1)

Ein selbstgemachter Gott bewirkt nichts. Er entlarvt die Hoffnungen, die auf ihn gesetzt werden, als Illusion. Aber doch bleiben die Fragen: wer ist dann der wahre Gott, der wirklich helfen kann? Wie ist er zu erfassen? Wie ist sein Name? Anders formuliert: was ist das, was Gott unverwechselbar macht, und womit man nur ihn beschreiben kann. Die Antwort ist auf den ersten Blick erstaunlich: es sind nicht seine Machttaten; es sind nicht spektakuläre Wunder, sondern das ureigenste Wesen Gottes ist seine Liebe. Luther, der ein Meister treffender Bilder war, sagte es so: Gott ist ein "glühender Backofen voller Liebe". Natürlich kann Gott auch zurechtweisen und strafen, aber das ist immer nur die Kehrseite seiner Liebe. Sein Zorn ist das "Brennen seiner Liebe", sagt der Theologe Karl Barth.

Wenn jemand also fragt: Wer ist Gott, so muss er in das Angesicht Jesu Christi schauen, hinsehen wie Jesus sich den Armen und Verrufenen, den Sündern und Zöllnern zugewandt hat.

Gott ist gütig, wahrhaftig und langmütig; voll Erbarmen durchwaltet er das All. Da kann kein religiöser Bastelsatz mithalten. Da stellt sich nur die Frage, warum nach Wasser graben, wenn du neben der sprudelnden Quelle stehst.

Mit den besten Segenswünschen grüßt Sie Ihr

Pfarrer Thomas Knittel