Denken wir doch an das, was wir zu geben haben!
Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein anderer kargt, wo er nicht soll, und wird doch ärmer.
"Sie erhalten alle Produkte jederzeit zum tiefsten Preis in Ihrer Umgebung. Sollten Sie den gleichen Artikel bei gleicher Leistung innerhalb von 3 Wochen in Ihrer Region noch günstiger finden, erstatten wir Ihnen die Differenz." Mit diesem Satz fand ich ein Anzeigenblatt mit einer Produktwerbung im Briefkasten. Es warb mit Tiefstpreisen um Kunden.
Und gehen wir durch die Einkaufsstraßen, dann springen uns schon von weitem die orangen Inschriften oder Ziffern an den Schaufenstern ins Auge, die mit "billiger", "Hammerpreisen", "Kellerpreisen", gewaltigen Prozenten und anderen Superlativen zum Kauf einladen und dabei suggerieren: Du kaufst und sparst, und umso mehr du kaufst, um so mehr sparst du. Ganze Handelsketten vermitteln uns mit ihrem Firmennamen oder Logo: Bei uns zahlst du fast nichts und erhältst fast alles. So schön, wie wir es als Kunden empfinden, wenn wir preisgünstige Ware bekommen, hat doch diese Erziehung zur Sparsamkeit - möchte schon sagen zum Geiz - auch eine Kehrseite. Wir verfallen dabei sehr schnell in den Glauben, dass es normal sei, (fast) nichts zu geben, aber (fast) alles zu erwarten.
Was in der Geschäftswelt nur sehr begrenzt wirklich funktioniert, das geht im Umgang miteinander schon gar nicht. Wer auf seinem materiellen Besitz sitzt und für andere, Bedürftige, nichts hat, der verarmt selber. Sein Besitz wird ihm schnell zur Last. Er wird engherzig und einsam. Wer anderen gibt, der empfängt. Das gilt im materiellen Bereich ebenso, wie im nichtmateriellen Bereich. Wer sich dem anderen, der Not hat, materiell oder auch in anderen Formen der persönlichen Zuwendung und Hilfe, öffnet, der empfängt auch selber dabei. "Wir denken stets an das, was wir behalten oder verlieren können. Denken wir doch an das, was wir zu geben haben!", schrieb der französische Schriftsteller Romain Rolland vor über 100 Jahren. Es ist ein Wechsel der Blickrichtung und der Lebenseinstellung. Es ist die Blickrichtung und Einstellung Gottes. Er selbst hat nicht gespart in dem, was er geben konnte, für uns, die wir bedürftig sind. Er hat seinen Sohn gegeben für uns und seine ganze Liebe zu uns da hinein gesteckt. So viel haben wir bereits empfangen. Sollten wir da nicht auch frei sein, gerne zu geben, dem der von uns braucht? Nur wessen Herz offen ist, zu geben, dessen Herz ist auch offen, zu empfangen.