Geh aus mein Herz und suche Freud

Geh aus mein Herz und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

Liebe Leser,

kurz nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges schrieb Paul Gerhardt dieses Lied. Es gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Liedern im evangelischen Gesangbuch. Im Frühsommer wird es gerne in den Gottesdiensten und bei anderen Treffen in der Gemeinde gesungen.

Nach dem Winter mit seinem, wenn schon nicht Schnee, so doch grauen Himmel und trüben Wetter, schauen wir auf die Schöpfung mit ganz anderen Augen. Ich stehe im Frühling gerne im Garten und schaue mir jede Blume einzeln an. Ich entdecke so viele schöne Details in der Schöpfung, die mir nach dem Winter wieder richtig ins Auge fallen. „Geh aus mein Herz“: Wir gehen an solchen frühsommerlichen Tagen gerne draußen spazieren. Und unser Herz geht auch spazieren. Das wirkt sich auf unsere Stimmung aus. Meine Frau sagte dieser Tage: „Ich bedaure jeden, der bei so einem Wetter am Schreibtisch sitzen und arbeiten muss“ - und meinte damit auch mich.

Für Paul Gerhardt war dieses Lied jedoch mehr als ein freundliches Sommerlied. Für ihn steckte hinter der „Sommerzeit“ auch das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Leidenszeit aus Gewalt, Mord und Hungersnot war vorbei. Die Menschen kamen wieder aus ihren Häusern hervor. Langsam begannen die Landschaften wieder zu blühen. Der Friede war wie ein neuer Sommer nach der Winterzeit des Krieges. Nach dem Winter fällt einem jede kleine Blume ins Auge. Nach dem Krieg kann man sich über jedes kleine Friedenszeichen freuen. Nach einer Leidenszeit braucht man nicht viel, um glücklich zu sein. Erst, wenn es einem rundum gut geht, nimmt man kleine Zeichen des Glückes nicht mehr wahr.

Und noch etwas drückt Paul Gerhardt mit diesem Lied aus: In der Schöpfung entdeckt und lobt er Gottes Schöpferkraft und Güte. Für ihn steht es außer Frage, dass hinter allem, was wir in der Schöpfung erleben, Gottes Kraft wirkt. Er hat es hervorgebracht. Er erhält es. Die Schöpfung weist uns darauf hin, dass es einen Gott gibt. Und wenn wir den Schöpfer verleugnen, dann verlieren wir auch den Respekt vor der Schöpfung. Dann wird sie ein Opfer unserer menschlichen Willkür und Gewinnsucht.

Paul Gerhardt schließt sein Lied mit der Bitte, dass Gott genauso auch unser Leben zur Entfaltung und Blüte bringen möge:

Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm,
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

Es grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen eine schöne Sommerzeit

Pfarrer Graubner