Andachten zur Karwoche 2020

von Ihrer Ev.-Luth. Kirchgemeinde Falkenstein-Grünbach und Ev. Bibelgemeinschaft Neustadt

Vorwort

Liebe Leser,

Sie halten hier ein Heft in der Hand, das in Zusammenarbeit der Evangelischen Bibelgemeinschaft Neustadt mit der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Falkenstein-Grünbach entstanden ist. Es möchte Ihnen ein Begleiter durch die Karwoche sein. Sie finden darin 6 Abschnitte aus der Passionsgeschichte nach Matthäus - für jeden Tag vom Palmsonntag bis zum Karfreitag einen - mit jeweils einer Auslegung und Gedanken zum Weiterdenken. Dieses Heft entstand angeregt durch die besondere Situation, in der wir in diesem Jahr die Passionszeit und das Osterfest begehen. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie lassen die gewohnten Gottesdienste und Andachten der Karwoche nicht zu. So haben wir uns entschieden, ein Andachtsheft für die Karwoche zu erstellen und es in der Gemeinde zu verschenken. Die Texte erinnern uns an das Leiden und Sterben, das Jesus Christus für uns auf sich genommen hat. Sie nehmen uns Tag für Tag auf dem Weg, den er gegangen ist, mit. Sie sind wie ein Kreuzeszeichen, das wir in manchen Regionen an Wanderwegen finden. Diese Kreuze lassen uns innehalten, richten unseren Blick mitten im Alltag auf den Gekreuzigten und sie lenken unsere Gedanken auf das Wesentliche im Leben.

Wir laden Sie ein, sich jeden Tag in der Karwoche 15 Minuten Zeit zu nehmen für das, was wesentlich im Leben ist. Lassen Sie Ihre Gedanken durch die Texte leiten zu dem hin, der alles geopfert hat, aus Liebe zu uns. Er wird Ihnen auf diesem Weg begegnen.


1. Tag - Palmsonntag, 5. April

Matthäus 21, 1​-​11: Jesus zieht in Jerusalem ein

Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt. Und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9, 9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der? Das Volk aber sprach: Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa.

Voller Jubel empfängt die Heilige Stadt Jerusalem ihren Herrn: „Hosianna dem Sohn Davids!“ Das heißt: „Hilf Herr in der Höhe! Du bist der versprochene Retter. Du bist der Davidsohn, von dem die Propheten sagen, Du wirst kommen. Du wirst die Herrschaft Gottes aufrichten und Israel wieder heilen!“ Widerspricht Jesus dem Jubel? Nein. Der Jubel spricht die Wahrheit aus. Das erfahren die Pharisäer: Sie wollen Jesus bewegen, seine Jünger zurechtzuweisen. „Nein“, sagt Jesus, „wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.“ (Lukas 19, 39​-​40)

So zieht Jesus nach Jerusalem ein. Es ist Sonntag, der 9. Nisan im Jahr 30 n. Chr. Präzise erfüllt er die biblische Verheißung (Sacharja 9, 9) und reitet auf einem Jungtier, auf dem noch niemand geritten ist (Markus 11, 2). Damit das Füllen bereitwillig seinen Dienst tut, wird die Eselstute mitgeführt. Die Stadt empfängt ihren Herrn: Die Menschen breiten Kleider und Palmenzweige auf dem Weg aus - eine Huldigung, die nur Königen vorbehalten war. Sie haben erkannt, dass Jesus wirklich der versprochenen Retter ist.

Doch als Bibelleser fragen wir: Wie konnte die Stimmung in Jerusalem so schnell kippen? Innerhalb von 5 Tagen fordert das Volk von Pilatus: „Kreuzige“. Natürlich wissen wir nicht, ob es genau die gleichen Menschen waren. Das ist vielleicht nicht zu vermuten: denn unter denen, die Jesus zujubeln, sind ein großer Anteil derer, die schon lange mit Jesus unterwegs sind. Andere hatten von Jesus gehört und haben sich der jubelnden Menge angeschlossen. Dennoch sind in Jerusalem viele Menschen, denen Jesus ein

Dorn im Auge ist. Von ihnen angesteckt wird die andere Menge am Karfreitag rufen: „Kreuzige“. Beides gibt es in Jerusalem: Freude über Jesus und Ablehnung. Manche werden in der Karwoche noch zu seinen Feinden (wie die Händler, die von Jesus aus dem Tempel geschmissen werden), andere zu seinen Freunden, (wie die Blinden und Lahmen, die er im Tempel heilt). In jedem Menschenherzen gibt es beides: Freude über Jesus und Ablehnung. Doch wer Jesus begegnet, muss sich entscheiden: er kann nicht Jesus gegenüber gleichgültig sein. Ich kann nur beten: „Herr, lass mich ein treuer Freund Dir gegenüber sein.“


2. Tag - Montag, 6. April

Matthäus 26, 6​-​13: Jesus wird gesalbt

Als nun Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen, trat zu ihm eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit kostbarem Salböl und goss es auf sein Haupt, als er zu Tisch saß. Da das die Jünger sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Vergeudung? Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können. Als Jesus das merkte, sprach er zu ihnen: Was bekümmert ihr die Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie dies Öl auf meinen Leib gegossen hat, hat sie getan, dass sie mich für das Begräbnis bereite. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Bethanien der Ort des Geschehens, der Ort an welchem Jesus übernachtete. Der Ort der Maria, der Martha und des Lazarus.

Jesus hält sich hier auf im Hause des geheilten Simon. Eine Frau nähert sich Jesus, der mit den anderen Jüngern zu Tische liegt. Nach Johannes 12, 3 ist es Maria welche sich mit einem Gefäß kostbarem Salböl ihm nähert und dieses ihm auf sein Haupt goss.

Es ist ein besonders wertvolles Salböl im Wert eines Jahreslohnes eines Tagelöhners. Bei Festen salbte man oft das Haupt des geachteten Gastes. Wir können annehmen dass Maria dies in dem festen Glauben tat, dass vor Ihr der Messias lag und er sein Reich bald aufrichten würde.

Wie auch wir, dachte Judas und mit Ihm die Jünger, welche Verschwendung. Oder dachtest du anders, als du gerade gelesen hast, dass das Öl den Wert eines Jahreslohnes hatte. Sie waren der Meinung, das Geld wäre bei den Armen besser aufgehoben. Nachvollziehbare Gedanken. Oder? Die Antwort Jesu: Sie hat dies zu meiner Bestattung oder Einbalsamierung getan.

Welch ein Schock für alle Anwesenden!

Maria bestätigt unbewusst den Plan Gottes mit Jesus. Und es ist ein weiteres Zeichen für Ihn auf seinen baldigen Tod hin. Lesen wir Matthäus 26, 2 dann bestätigt sich jetzt diese Prophezeiung.

Und Jesus gibt eine Verheißung mit seinem „Amen, ich sage euch“, dass man wo immer man in der Welt das Evangelium verkünden wird, darüber und von dieser Frau erzählen wird. Diese Verheißung Jesu ist einzigartig im Neuen Testament, einzigartig in ihrer Liebe, einzigartig als Hinweis auf Jesu nahen Tod.

Maria ist Ihrem Herrn durch ihr Tun ganz nah, denen, die ihn seit drei Jahren begleiten sind andere Dinge wichtig. Maria hat Verbindung zu ihrem Herrn und gibt das Wertvollste. Sie handelt im Auftrag Gottes an seinem Sohn. Auch wenn ihr die Tragweite in dem Augenblick nicht bewusst ist. In diesem Augenblick geht es nicht um die Armen sondern um den, der der Retter aller

Armen, aller Menschen ist.

Maria verschenkte ihr bestes an Jesus. Ihr kostbares Öl! „Verschwendung!“ riefen die einen. „Erinnerungswürdig!“ sagte Jesus. Warum? Was denkst du? Und hast du schon mal etwas richtig Wertvolles verschenkt?


3. Tag - Dienstag, 7. April

Matthäus 26, 47​-​56: Jesus wird gefangen genommen

Und als er noch redete, siehe, da kam Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's; den ergreift. Und alsbald trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, dazu bist du gekommen? Da traten sie heran und legten Hand an Jesus und ergriffen ihn. Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab. Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss? Zu der Stunde sprach Jesus zu der Schar: Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich gefangen zu nehmen? Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber das ist alles geschehen, auf dass erfüllt würden die Schriften der Propheten. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Matthäus berichtet uns von der Festnahme von Jesus durch die Tempelwache. Die ganze Szene spielt im Garten Gethsemane, übersetzt „Olivenpresse“. Es ist Nacht. Und die dicken Olivenbäume des Gartens geben dazu eine gespenstische Kulisse ab.

Es lag Spannung in der Luft. Jesus hatte eben seinen Verräter angekündigt (V. 46). Da war auch schon das Getrampel vieler Leute zu hören, vermischt mit klirrendem Metall. Eine große Schar Soldaten mit Schwertern und Stangen. (V. 47) Was für eine Szene in dieser Nacht – nur notdürftig erhellt mit dem Licht einiger Fackeln. Vornweg einer der Jünger – Judas. Er hatte beschlossen, Jesus zu verraten und den Hohenpriestern auszuliefern (V. 14-15). Erstaunlich, dass trotzdem Jesus seinen Verräter immer noch als „Freund“ anspricht: „Mein Freund, dazu bist du gekommen?“ Doch sogleich erfolgt die Festnahme. (V. 50)

Alle vier Evangelien berichten von diesem wichtigen Ereignis. (zu finden unter: Markus 14, 43; Lukas 22, 47; Johnnes 18, 1). Während uns z.B. Johannes den Namen des Schwertkämpfers Petrus benennt, der im Getümmel einem Soldaten das rechte Ohr abschlägt, berichtet Matthäus aus einer etwas anderen Perspektive. Zweimal schreibt Matthäus: Es muss sich die Schrift erfüllen (V. 54 und 56).

Jesus ist der Wille des Vaters am wichtigsten (V.42). Und dazu gehört die Erfüllung der biblischen Schriften und Propheten. Durch das intensive Studium des Alten Testamentes und geführt vom Heiligen Geist erkannte Jesus schrittweise seine Berufung.

Mir fällt beim Lesen der Evangelien auf, dass Jesus sich an keiner Stelle auf Visionen, Träume oder besondere Eingebungen beruft. Sondern er argumentiert immer wieder mit Bibelzitaten. Er begründet seine Leidensankündigungen damit: Es muss erfüllt werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lukas 18, 31). Und viele Details der Passionsgeschichte finden sich im Alten Testament:

Der Verräter aus dem Jüngerkreis findet sich bereits in Psalm 41, 10: „Selbst mein Vertrauter, auf den ich mich verließ, ja, mit dem ich mein Brot geteilt habe, tritt mich nun mit Füßen.“

Und bei der Aufforderung zum Schwertkauf Lukas 22, 36​-​38) heißt es, damit sich erfüllt: „Er ist zu den Übeltätern gezählt.“ (Jesaja 53, 12) Die Zerstreuung der Schafe aus Sacharja 13, 7 wird bereits in Mtatthäus 26, 31 zitiert und erfüllt sich nun in der Flucht aller Jünger am Ende der Gefangennahme in Vers 56.

Außerdem berichtet Matthäus als einziger die Worte von Jesus in Vers 53: „Meinst du nicht, dass ich meinen Vater um Hilfe bitten könnte und er mir sofort mehr als zwölf Legionen [eine röm. Legion sind ca. 6000 Mann] Engel stellen würde?“

Der Weg zu unserer Errettung – der hier in Kreuz und Auferstehung zum Ziel kommt – bedeutete für Jesus den Verzicht auf alle Eigenschaften seiner vorherigen Göttlichkeit, wie seine Allmacht, Allwissenheit und göttliche Herrlichkeit. Das und viel mehr gab er auf und wurde Mensch, ja Sklave, (Philipper 2, 7) um uns zu retten.

Hier nun wird Jesus auch noch das Letzte schrittweise genommen: seine Freiheit als Mensch, seine Würde, seine Kleidung, sein Leben. Und doch ist es nicht ein hilflose Ohnmacht und Schwäche. Sondern Jesus veranschaulicht uns hier, dass seine Demut und Sanftmut ein freiwilliger Verzicht auf tatsächliche Stärke sind. Er hatte die Macht mit einer unglaublichen Streitmacht diese Szene sofort zu beenden. Aber er tat es nicht. Jesus verzichtet – um unseretwillen. Das ist wahre Größe.

Jesus zeigt echte Sanftmut und verzichtet freiwillig auf Überlegenheit und Stärke. Damit gibt er uns hier einen Schlüssel, um auch in unseren alltäglichen Situationen Konflikte entschärfen zu können.

So fordert Paulus uns dazu auf, sich einander unterzuordnen aus Ehrfurcht vor Christus (Epheser 5, 21). Und das kann wohl nur gelingen, wenn jemand auf sein Recht verzichtet oder die letzten Argumente stecken lässt, um eine nutzlose Diskussion zu beenden. Selbst schon bei Spielen in der Familie merken wir, dass jeder lernen muss, mal zu verlieren und nicht einer immer gewinnen kann.

Sanftmut und Demut im Sinn der Bibel sind nicht hilflos und ohnmächtig, sondern sie verzichten freiwillig. Machen wir uns das Verhalten von Jesus in diesen Tagen neu dankbar bewusst. Und dann fällt es uns vielleicht leichter auch im Miteinander rücksichtsvoll, sanftmütig und großzügig zu sein.


4. Tag - Mittwoch, 8. April

Matthäus 26, 69​-​75: Jesus wird von Petrus verleugnet

Petrus aber saß draußen im Hof. Und es trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa. Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. Als er aber hinausging in die Torhalle, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

Hast Du Jesus schon einmal verleugnet? Wer von uns kann diese Frage mit einem entschiedenen „nein, niemals“ beantworten? Ich jedenfalls nicht. Es braucht nur eine Zeit des Innehaltens, und dazu haben wir in der gegenwärtigen Ausnahmesituation durch den Coronavirus auch mehr Freiräume als im gewöhnlichen Alltagsgetriebe, und man stellt bald fest: „Hier habe ich Jesus nicht bezeugt und da habe ich so gehandelt, dass die Umherstehenden nicht den Eindruck gewinnen konnten, Jesus sei mein Meister, ich gehöre zu seinen Nachfolgern. Diese Feststellung ist schmerzhaft und zeigt mir die Grenzen meines Mutes und meiner Liebe zu Jesus auf. Es kann eine heilsame Erkenntnis sein.

Man liest den Text von der Verleugnung des Petrus aus einem anderen Blickwinkel. Die Feststellung, er hätte nicht dorthin gehen sollen, sich nicht an den Feuern der Knechte im Hof des Hohenpriesters wärmen dürfen, dann wäre es nicht zu dieser Situation gekommen, sie hilft nicht weiter, erfasst das Wesentliche nicht. Eher fühle ich Verständnis für Petrus. Er wollte doch in der

Nähe seines Herrn sein, aus der Deckung heraus beobachten, was nun mit ihm geschieht. Und man leidet bei der Frage der Magd mit Petrus förmlich mit. Allein, ohne Schutz, ohne Beistand der sensationslustigen Menge ausgesetzt, die übereinstimmend erklärt: „Du bist auch einer von ihnen“. Sich jetzt zu Jesus mutig zu bekennen, mit allem Konsequenzen, das überforderte Petrus, da versagte der kühne Glaubensmut, den er auf stürmischer See, im Anblick seines Herrn aufgebracht hatte.

Es musste so kommen, Jesus hat es kurz vorher präzise vorausgesagt. Ehe der Hahn kräht… Nur der Evangelist Lukas berichtet in seiner Darstellung der Geschehnisse, dass es nach der dritten Verleugnung zu einem Blickkontakt mit Jesus kam. Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an Lukas 22, 61. Es war sicher kein verächtlicher Blick im Sinne von: „Ich hab es ja gleich gewusst“. So ist Jesus nicht. Gott sei Dank! Es muss ein tief zu Herzen gehender Blick mit der Möglichkeit zur Umkehr gewesen sein. In einem alten Chorlied aus dem „Rettungsjubel Band II“ sangen wir: „Schenk mir den Blick, der Petrus die schwere Schuld vergab, den Blick, der deinen Freunden hier Wonne ist und Stab.“ Ja, es war ein vergebender Blick, wohl mit einer Spur von Traurigkeit, dass nun auch einer aus dem vertrauten Jüngerkreis versagt hat. Und dieser dennoch erbarmende Jesusblick zeigte bei Petrus Wirkung. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, wen er nicht mehr kennen wollte. Und er weinte bitterlich.

An dieser Stelle wendet sich das Wort sehr persönlich an uns Leser. Versagen als Jesu Jünger ist nicht ausgeschlossen. Besonders dann nicht, wenn man sich ohne Beistand auf heiklem Terrain bewegt. Wer aber in Jesu Blickfeld bleibt und sein Versagen nicht beschönigt, es bitterlich bereut und weiß, dass er allein gegen die Macht der Finsternis nichts ausrichten kann, für den gibt es Rettung. Das zeigt uns der weitere Weg von Petrus sehr anschaulich, macht uns selbst Mut, nach dem Versagen nicht davonzulaufen.

Nachdem Jesus die Macht der Finsternis am Kreuz besiegt hatte, begegnete er seinen Jüngern mehrfach als Auferstandener und am See Genezareth kam es dann zum entscheidenden seelsorgerlichen Gespräch mit Petrus. Hier wurde mit der dreimaligen Frage nach der Liebe zu Jesus Petrus ermuntert, seine Herzensstellung zu seinem Herrn offenzulegen. Und Jesus konnte ihn zum Hirtenamt berufen. In seinem Brief gibt Petrus im 2. Kapitel den Auftrag an uns weiter „ …damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht.“ (1. Petrus 2, 9)


5. Tag - Gründonnerstag, 9. April

Matthäus 27, 15​-​30: Jesus wird verurteilt und verspottet

Zum Fest aber hatte der Statthalter die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen loszugeben, welchen sie wollten. Sie hatten aber zu der Zeit einen berüchtigten Gefangenen, der hieß Jesus Barabbas. Und als sie versammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen: Welchen wollt ihr? Wen soll ich euch losgeben, Jesus Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus? Denn er wusste, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten. Und als er auf dem Richterstuhl saß, schickte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um seinetwillen. Aber die Hohenpriester und die Ältesten überredeten das Volk, dass sie um Barabbas bitten, Jesus aber umbringen sollten. Da antwortete nun der Statthalter und sprach zu ihnen: Welchen wollt ihr? Wen von den beiden soll ich euch losgeben? Sie sprachen: Barabbas! Pilatus sprach zu ihnen: Was soll ich dann machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus? Sie sprachen alle: Lass ihn kreuzigen! Er aber sagte: Was hat er denn Böses getan? Sie schrien aber noch mehr: Lass ihn kreuzigen! Da aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen; seht ihr zu! Da antwortete alles Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Da gab er ihnen Barabbas los, aber Jesus ließ er geißeln und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt werde. Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus mit sich in das Prätorium und versammelten um ihn die ganze Kohorte und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verspotteten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, der Juden König!, und spien ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit auf sein Haupt.

So einfach war es nicht, Jesus den Prozess zu machen. Israel war zu jener Zeit schon ein Rechtsstaat. Zahlreiche Verordnungen regelten genau, wie ein Prozess rechtsgültig zu führen war. Sie schützten damit den Angeklagten vor Willkür. Auch die Römer hatten eine Rechtsordnung, die einen fairen Prozess garantierte. Pontius Pilatus, der römische Statthalter in Jerusalem, hatte mehrfach versucht, Jesus freizusprechen. Er hatte bei Jesus kein Vergehen gefunden, das Anlass zu einer Verurteilung hätte sein können.

Gerade unternimmt Pilatus einen weiteren Versuch, Jesus gehen zu lassen. Er nutzt dazu eine Amnestieregelung, die bei den Juden galt: Jedes Jahr zum Beginn des Passahfestes wurde ein Verurteilter begnadigt. Pilatus wählt die Alternativen, zwischen denen das Volk entscheiden darf, geschickt. Sie dürfen wählen zwischen Jesus, der von sich sagt, der Erlöser und Befreier Israels zu sein und der diese Selbstaussage durch viele Heilungen und andere Wunder bestätigt hat. Der andere, der für eine Begnadigung zur Wahl steht, war Jesus Barabbas. Auch der sah sich als Befreier Israels und er hatte bis vor wenigen Tagen noch versucht, die Befreiung als Anführer einer Terrorgruppe mit gewaltsamen Anschlägen herbeizuführen. Das Volk darf wählen zwischen dem friedvollen Befreier und Nothelfer und dem gewalttätigen Befreier und Notbringer. Die Chance, dass das Volk sich für Jesus entscheidet, scheint damit eigentlich eindeutig.

Aber in dem Moment unterbricht Pilatus seine Verhandlung mit den Juden. Pilatus Frau ruft ihn zu sich und warnt ihn, sich an Jesus die Hände blutig zu machen. Ein Albtraum habe ihr gezeigt, dass die jüdische Obrigkeit in diesem Prozess ein schmutziges Spiel betreibt. Es ist eine Unterbrechung von vielleicht nur 5 Minuten. Doch diese reicht der jüdischen Obrigkeit, um unter dem Volk so viel Stimmung zu machen, dass es sich für Barabbas und gegen Jesus entscheidet.

Warum wird dieser Prozess gegen Jesus geführt? Der ganze Verlauf offenbart, dass es einflussreiche Gruppen im Volk gibt, die um jeden Preis erreichen wollen, dass Jesus umgebracht wird. Sein Tod war vorab beschlossen. Der Prozess wird gebraucht, um ein Todesurteil scheinbar legal vor dem Volk, das hinter Jesus stand, herbeizuführen. Dazu wurde der Bruch sehr vieler Prozessregeln der jüdischen Prozessordnung in Kauf genommen.

Die Pharisäer und Sadduzäer, die religiöse Führungsschicht der Juden, zogen hier ihre eigene Rache durch. Jesus hatte ihren Führungsstil und ihre selbstgefällige Frömmigkeit oft kritisiert. So hatten sie Jesus den Kampf erklärt. Ihr Hass treibt sie an. Ihr Hass macht sie blind gegen Jesus, aber auch gegen jede Gerechtigkeit. Ihr Hass bestimmt den Prozess. Mit ihrem Hass schaffen sie es, die Stimmung im Volk kippen zu lassen. Alle, die Jesus kurz zuvor noch zugejubelt hatten, lassen sich jetzt von der feindseligen Stimmung anstecken. Erschreckend, wie schnell Stimmung ins Negative kippen kann, wenn jemand erst anfängt, zu schüren!

Die Geschichte vermittelt den Eindruck, als würde hier ein Willkürakt gegen einen Unschuldigen den Sieg behalten.

Aber es geht um mehr: Die Kontrolle über allem hat trotzdem Gott. Mehrfach im Verlauf der Passionsgeschichte heißt es als Erklärung für ein Geschehen: „So erfüllt sich das Wort aus der Heiligen Schrift...“. Der Prozess verläuft so, weil Gott den Tod seines Sohnes will - nicht aus Hass gegen ihn, sondern aus Liebe zu uns. Gott hatte beschlossen, seinen Sohn zu opfern, damit wir freigesprochen werden können von unserer Schuld und vom ewigen Tod. Barabbas ist der erste, der diesen Freispruch erfährt.


6. Tag - Karfreitag, 10. April

Matthäus 27, 31​-​50: Jesus stirbt am Kreuz

Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel aus und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn ab, um ihn zu kreuzigen. Und als sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug. Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er's schmeckte, wollte er nicht trinken. Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. Und sie saßen da und bewachten ihn. Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König. Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren. Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die andern aber sprachen: Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihm helfe! Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

Nun wird der Herr Jesus Christus vor die Tore der Stadt geführt. Hinaus auf den Hügel Golgatha, die Schädelstätte. Geschwächt von den Strapazen der letzten Stunden brach Jesus unter dem Kreuz zusammen. Ein unbeteiligter, Simon von Kyrene, muss das Kreuz tragen. Unbeteiligt wollte er bleiben. Doch nun geht der Gekreuzigte ihn etwas an: Warum geht er ans Kreuz? Was ist seine Schuld? Warum muss er sterben?

Simon von Kyrene ist ein Bild für jeden Menschen, den die Botschaft vom Kreuz Jesu trifft. Er kann nicht unbeteiligt bleiben. Er muss seinen Standpunkt dazu finden. Entweder er wendet sich ab. Oder er erkennt: Die Schuld, die ER trägt, ist meine Schuld.

An dem Felshügel Golgatha angekommen, ziehen die Soldaten Jesus die Kleider aus. Sie legen ihn auf Kreuz. Mit einigen Hammerschlägen werden Nägel durch seine Hände und Füße getrieben. Schmerzen durchziehen den ganzen Körper. Ein Getränk aus Essig und Galle soll Jesus betäuben. Doch er wollte nicht trinken. Mit wachen Sinnen will der Herr das Erlösungswerk vollenden. Dann wird das Kreuz aufgerichtet.

Den ganzen Weg über sträubt sich Jesus nicht. Auch jetzt nicht, als er ans Kreuz gehängt wird. Kein Fluch über seine Henker. Keine Antwort auf den Spott: „Wenn Du Gottes Sohn bist, so steige vom Kreuz herab!“ Ist das die letzte Versuchung? „Wenn Du Gottes Sohn bist“ – so trat der Teufel damals in der Wüste an Jesus heran – und auch jetzt wieder die Aufforderung: „Hilf Dir selbst!“

Nein, Jesus ist nicht gekommen, sich selbst zu retten! Er ist gekommen, um uns zu retten! „Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.“ (Jesaja 53, 7) So erfüllt er den Willen des Vaters.

Zur Mittagszeit, als die Sonne am höchsten steht, zieht plötzlich eine Finsternis über das Land. Es ist ein Zeichen von Gott, das noch einmal die Spötter unterm Kreuz zur Umkehr ruft. Einige hören den Schrei Jesu und sind erschüttert: „Der ruft den Elia.“ Ein Mann gibt Jesus Essig zu trinken. Aber andere sind unbewegt. Verstockt sind die Herzen. Ihr Spott verstummt nicht.

So hängt der Herr am Kreuz. Geschmäht, verachtet, verspottet, verkannt. Doch gerade dort – am Kreuz – vollbringt er meine Erlösung. Er stirbt um mir zu vergeben. Er stirbt aus Liebe zu seinen Feinden. Er stirbt am Kreuz - für mich.


Ich suche dich oft, Herr. Jetzt aber weiß ich: Du wartest am Kreuz auf mich. Dort hast Du mich erlöst. O Herr, verzeih mir Sünder! Ich bin ja Schuld an deiner Not. Hilf mir, o Herr, und lass dein Leiden an mir nicht verloren sein.
AMEN.


Autoren

Jens Kreisel, Evangelische Bibelgemeinschaft Neustadt
Jürgen Seidel, Evangelische Bibelgemeinschaft Neustadt
Friedhelm Wierick, Evangelische Bibelgemeinschaft Neustadt
Pfarrer Jörg Grundmann, Ev.-Luth. Kirchgemeinde Falkenstein-Grünbach
Pfarrer Eckehard Graubner, Ev.-Luth. Kirchgemeinde Falkenstein-Grünbach
Bibelübersetzung: Luther 2017