Der zweite Brief des Apostels Paulus an die Versammlung der Thessalonicher – der 2. Thessalonicherbrief

PDF-Version

Auch dieser zweite Brief an die Thessalonicher stammt eindeutig von dem Apostel Paulus, was aus dem Briefeingang und dem Schluss hervorgeht (2. Thessalonicher 1, 1; 2. Thessalonicher 3, 17; vgl. auch 2. Thessalonicher 2, 5). Die altkirchliche Überlieferung ist sich darin ebenso einig. Geschrieben bzw. diktiert hat ihn Paulus kurz nach dem 1. Thessalonicherbrief 50/51 n. Chr., vor dem nächsten Thessalonich-Besuch Apg 20, 1ff, auch in Korinth, da dies der einzige (in Frage kommende) Ort war, an dem Paulus mit Silvanus und Timotheus zusammengewesen war. Und diese sind auch wieder Mitabsender des Briefes (1. Thessalonicher 1, 1). Von Silas (Silvanus) hören wir später in der Apostelgeschichte oder den Briefen (außer 1. Petrus 5, 12 und 2. Korinther 1, 19, was sich auf den Aufenthalt in Korinth bezieht) nichts mehr.


Die Gemeindesituation ist im Grunde die wie sie zur Zeit des ersten Briefes war (siehe 2. Thessalonicher 1, 3​-​4). Ja, ihr Glaube und ihre Liebe waren gewachsen; sie bewährten sich als treu und geduldig in den Drangsalen. Jedoch waren Irrlehrer und (ein) gefälschte(r) Brief(e), als habe Paulus ihnen geschrieben, in Thessalonich aufgetaucht, die die Gläubigen verwirrten und hinsichtlich ihrer Lebensweise negativ beeinflussten (2. Thessalonicher 2, 1​.​2; 2. Thessalonicher 3, 11). Das waren keine guten Nachrichten und Paulus muss dem wehren.

Die jung bekehrten Christen in Thessalonich wurden erschüttert in Bezug auf die Ankunft Christi. Es gab Leute, die behaupteten, der Tag des Christus (so im Mehrheitstext) / Herrn sei schon da (2. Thessalonicher 2, 2). Jedoch: die Nöte, die die Christen erleiden, sind nicht die der großen Drangsalszeit (Matthäus 24, 21). Paulus macht deutlich, bevor Jesus als Richter der Welt wiederkommt, muss zuvor der Abfall (vom Glauben, von Jesus) kommen und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, das ist der Antichrist, der sich in den Tempel Gottes setzt (ins Tempelhaus), offenbar werden. Den wird Jesus bei seiner Ankunft vernichten (2. Thessalonicher 2, 8). Paulus beschreibt, wie der Antichrist auftreten und verführen wird, in der Kraft Satans und mit lügenhaften Zeichen und Wundern (2. Thessalonicher 2, 9​-​12; siehe auch Offenbarung 13, 11​-​18). (vgl. zum Antichrist auch Daniel 11, 36​-​39 und das erste der Siegelgerichte Gottes Offenbarung 6, 1​-​2; hier als Nachahmung des Messias – Anti-Christus, gegen oder an Stelle Christus)

Wir erleben derzeit, wie viele sich gerade in Europa vom Christentum abwenden, von Jesus abwenden und (neu)heidnischem Glauben, Esoterik usw. zuwenden (vgl. 1. Timotheus 4, 1; vieles mutet einladend, attraktiv und hilfreich an, jedoch es ist betrügerisch und nicht nur das). Die letzte Zeit wird vorbereitet. Paulus beschreibt also, wann Jesus wiederkommt, was vorher passieren muss und bereits in 2. Thessalonicher 1 in welcher Weise Jesus wiederkommt (2. Thessalonicher 1, 7​-​10).

Interessant ist, dass Paulus dieses Thema, wiederum Hauptthema im Brief, schon jung Bekehrte lehrte, und bereits bei ihrer Evangelisierung Gegenstand der Verkündigung war (2. Thessalonicher 2, 5). Es handelt sich also nicht um ein Spezialwissen für besonders Interessierte. Alle Gläubigen sollen sich damit beschäftigen, noch dazu in unserer Zeit (vgl. Römer 13, 11​-​12a). Denn das Leben der Christen soll beständig geprägt sein, dem lebendigen Gott zu dienen und Jesus vom Himmel her zu erwarten (1. Thessalonicher 1, 9​-​10).

Interessant ist auch die Frage, wer der Zurückhaltende in 2. Thessalonicher 2, 7 ist. Es gibt verschiedene Auslegungen; viele gehen davon aus, dass es der Heilige Geist ist.


Der Satz in 2. Thessalonicher 3, 17 Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand, was das Zeichen in jedem Brief ist; so schreibe ich. ist äußerst wichtig zur Beurteilung der sgn. Pseudepigraphie. Die neutestamentliche Wissenschaft geht vielfach davon aus, dass irgendwelche (teils viel) späteren Schreiber Briefe im und auf den Namen der Apostel schrieben, um ihnen Autorität zu verleihen. Auch einige der Paulusbriefe im NT sollen nicht von Paulus selbst sein! Selbst wenn in der weltlichen Literatur der Antike dies gängige Praxis gewesen sein sollte, in der Christenheit war es das nie. Hier galten gefälschte Briefe immer als verführerisch, betrügerisch und die Gemeinden, die eine Zeit lang solchen Briefen Vertrauen schenkten, waren Betrogene, wie aus 2. Thessalonichers 2, 3 hervorgeht. Die Echtheitsfrage (und somit Wahrheitsfrage) wurde immer gestellt, denn die Gemeinde sollte auf der Grundlage der Apostel und Propheten gegründet sein (Epheser 2, 20), die Schriften wurden als von Gott inspiriert erkannt. Ein Briefschreiber aber, der unter einem Pseudonym, d.h. unter dem Namen eines anderen (z.B. Paulus), schreibt, ist ein Betrüger. Die Thessalonicher-Christen konnten an der Handschrift des Paulus, die sie mit der in ihrem ersten erhaltenen Brief vergleichen konnten, feststellen, dass dieser Brief echt und von Paulus war. Jeder Brief war so eindeutig. Und nur solche wurden in den Kanon der Bibel aufgenommen.

Zur Gliederung des Briefes: In 2. Thessalonicher 1, 1​-​2 finden sich die Angabe des Verfassers, Mitabsender, Empfänger und Gruß; 2. Thessalonicher 1, 3​-​12 Dank und Fürbitte für die Gemeinde. In 2. Thessalonicher 2, 1​-​12 wird vor Verführung gewarnt und geschildert, was der Ankunft Jesu vorausgeht (Abfall und Antichrist) und 2. Thessalonicher 2, 13​-​17 ermahnt Paulus zum Festhalten an der Wahrheit. 2. Thessalonicher 3, 1​-​15 beinhaltet abschließende Ermahnungen, z.B. die wie man sich unordentlichen Gemeindegliedern gegenüber verhalten soll. Die Verwirrung über den Tag des Herrn ging so weit, dass einige nicht mehr arbeiteten und unnütze Dinge trieben. 2. Thessalonicher 3, 16​-​18 hat noch Gruß und Segenswunsch.