Versöhnung

Jesus Christus ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.

Johannes 2, 2

Versöhnung ist immer etwas Schönes, denn wo Versöhnung geschieht, da kommt eine Beziehung wieder in Ordnung: zwischen Menschen, oder auch zwischen Mensch und Gott. Bei den Juden gibt es seit biblischer Zeit jedes Jahr einen besonderen Tag: den Großen Versöhnungstag (Jom Kippur). Es ist der größte und heiligste Tag des ganzen Jahres. Da sind die Straßen leer, der gesamte Verkehr ruht, ebenso alle Arbeit. 24 Stunden lang verzichten die Menschen auf Speise und Trank und verbringen den ganzen Tag in der Synagoge, auch die säkularisiert lebenden. Die Männer sind angetan mit dem weißen Totenkittel und dem Gebetstuch. Miteinander haben sie ein inniges Anliegen: Dass alle Sünde und Schuld, die sich seit dem letzten Jahr trennend zwischen sie und Gott geschoben hat, hinweggenommen wird und ihr Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung kommt. Deshalb haben sie in den Tagen zuvor ihr Leben im vergangenen Jahr überdacht, ihr Versagen und ihre Verfehlungen zu erkennen versucht und bereut. Deshalb sind sie auch zu den Mitmenschen, denen sie Unrecht getan haben, hingegangen, sie um Vergebung zu bitten und das Verhältnis mit ihnen wieder in Ordnung zu bringen. Und nun beten sie, wie es in ihrem Gebetbuch steht: "Du hast diesen Tag eingesetzt zur Verzeihung und Vergebung, dass man flehend vor dich hintrete und du uns Reinheit und Entsündigung gewährst". Der Jom Kippur der Juden endet mit der Hoffnung auf Vergebung, aber nicht mit der Vergebungs-Gewissheit. Warum? Alle Juden wissen: "die Sühne erfolgt nur durch das Blut". In 3. Mose 16 hatte Gott gesagt, dass Schuld nur gesühnt werden kann durch das Blut von Opfertieren, das der Hohepriester früher am großen Versöhnungstag in den allerheiligsten Raum des Tempels tragen musste, um damit den Gnadenthron zu besprengen.

Das jedoch ist nicht mehr möglich, seit der Tempel nicht mehr steht. Als Gott einst diese Bräuche zur Entsühnung festlegte, hat er das sicher auch im Blick darauf getan, dass wir Menschen dann besser verstehen können, was Jesus tat, als er in die Welt kam: Denn Jesus ist für uns beides zugleich gewesen: der große Hohepriester, der für unsere Schuld die Sühne dargebracht hat, und das "Opfertier", mit dessen Blut die Sühne vollzogen worden ist - nur mit dem Unterschied, dass er diese Sühne ein für allemal geleistet hat und sie nicht mehr jedes Jahr wiederholt werden muss. So ist eigentlich der Sterbetag Jesu - der Karfreitag - jetzt für uns zum Großen Versöhnungstag geworden: "Jesus Christus ist die Versöhnung für unsere Sünden" sagt der Monatsspruch.

Das gibt dem Tag, den wir ja jetzt im April wieder begehen, seine besondere Bedeutung.

Nur eins macht mich nachdenklich: Wie ernst ist es uns wirklich um diese Versöhnung mit Gott? Nicht ohne Absicht habe ich davon erzählt, was unsere jüdischen Geschwister alles tun, um mit Gott ins Reine zu kommen und wie wichtig ihnen das ist. Wie verbringen wir dagegen unseren Versöhnungstag, den Karfreitag? Wie wichtig ist uns auch am Ende eines jeden Tages das Gebet um Vergebung der Schuld? Welche Rolle spielen die Gnadenmittel - Beichte und Heiliges Abendmahl - in unserem Leben? Versöhnung mit Gott ist kein Billig-Angebot vom Aldi, sondern Gott gewährt sie dem, von dem er merkt, dass er sich wirklich ernstlich danach sehnt. Durch Jesus bleibt Versöhnung mit Gott aber keine wage Hoffnung, sondern er gibt dann auch die volle und schöne Gewissheit: "Dir sind deine Sünden vergeben!"

Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Gneuß