Ich habe den Herrn gesehen

Maria Magdalena kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.

Johannes 20, 18

Das ist eine spannende Geschichte. Alles beginnt mit einem Erdbeben und mit dem Engel des Herrn, der den Stein vom Eingang des Grabes weg wälzt und sich darauf setzt. Die Wachen wurden zu Tode erschreckt, so dass sie später flohen. Sehr ungewöhnlich für römische Wachsoldaten. Sie wussten, wenn wir versagen, kostet das uns den Kopf. Maria und Maria Magdalena werden zu den Jüngern geschickt. Sie sollen ihnen sagen: „Der Herr ist auferstanden!“ Als sie diesen Auftrag erledigt haben beginnt ein Wettlauf zwischen Petrus und Johannes zum Grab. Beide begutachten den Ort des Geschehens, begnügen sich aber mit den vorgefundenen Tatsachen und gehen nach Hause. Das ist auch sehr merkwürdig.

Wer bleibt, ist unsere Maria Magdalena. Sie hatte eine besondere Beziehung zu Jesus. Er hatte sie von 7 Dämonen befreit. (Wem viel vergeben wurde, der liebt viel.) Sie weint. Sie sieht zwei Engel im Grab sitzen, genau dort, wo Jesus gelegen hatte. Die beiden sprechen sie an und fragen: „Frau was weinst du?“ Auch das ist merkwürdig. Der erste Engel, der auf dem Stein saß, hat sie doch mit der Botschaft zu den Jüngern geschickt: „Der Herr ist auferstanden!“ Sie scheint nichts zu begreifen - genau wie die Jünger. Aber so ist das. Es kann dauern, bis ein Mensch erkennt, was wirklich Sache ist. Ich lese eine Bibelstelle immer wieder und verstehe die einfachsten Zusammenhänge nicht, obwohl sie doch so klar auf der Hand liegen. Sie meint, der Leichnam wurde umgebettet und liegt nun in einem anderen Grab. Das geht so lange, bis Jesus ihr selbst begegnet und sie mit ihrem Namen anspricht.

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir…“ Sie erkennt ihn sofort und nennt ihn Rabbuni - das heißt so viel wie Lehrer. Das zeigt, sie hat die wahre Dimension noch immer nicht erkannt. Das einzige was sie tun kann: sie klammert sich an Jesus und hält ihn fest. Jetzt kommt noch so eine merkwürdige Sache. Jesus sagt zu ihr: „Rühre mich nicht an!“ Das hat mir lange zu denken gegeben. Zu Thomas sagt er doch später ausdrücklich: „Lege deinen Finger in meine Wunde…“ Hier hilft der griechische Text weiter. An dieser Stelle steht ein „Imperativ präsens“, heißt also so viel wie: „Hör auf, mich festzuhalten!“ Denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren. Mit anderen Worten: Ab jetzt kommt eine völlig neue Zeit. Ich gehe zu Gott und ihr werdet mich in dieser Form nicht bei euch behalten können.

Die Botschaft, die sie diesmal bringen soll, lautet ganz anders als beim ersten Mal. Nicht, „der Herr ist auferstanden“, sondern: „Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Johannes 20, 17) Nun werden die Jünger zum ersten mal Brüder genannt. (wie Markus 3, 33) Und es wird ihnen klar gemacht, dass sich in ihrem Verhältnis zu Jesus und zu Gott etwas Grundlegendes verändert hat. Sie sind nun in den Himmel aufgenommen. Diese Botschaft weist bereits auf das Ende des Gesetzes vom Sinai hin. Ihre Heimat ist nicht mehr die Erde, sondern der Ort, an den Jesus ihnen voraus gehen wird.

Zwei Mal durfte Maria Bote sein und dazu beitragen, dass die Apostel auf den richtigen Weg fanden. Sie sollte die Auferstehung Jesu und seine Himmelfahrt verkünden. Damit begann ein völlig neuer Abschnitt in der Heilsgeschichte, der sich noch bis in alle Ewigkeit auswirken wird. Aber das ist eine andere spannende Geschichte.

Ihr Lutz Heidrich